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Abb. 3.28 Ende der 1940er-Jahre erschien diese Karikatur von
Dorman Smith in der „Phoenix Gazette“ um auf populäre Art
und Weise den Nutzen amerikanischer Aufbauhilfen in Westeu-
ropa darzustellen. Interessant dabei ist, dass das „europäische
Kind“ größer gezeichnet ist als der „amerikanische Steuerzah-
ler“. Damit wird zum einen der Erfolg des Marshallplans, zum
anderen die aufkommende wirtschaftliche Rivalität ausge-
drückt (Quelle: Spaak 1949).
Abb. 3.29 Die Vorderseite von Galtungs Buch „The European
Community: A Superpower in the Making“ . Dargestellt wird das
Berlaymont-Gebäude in Brüssel, der Sitz der Europäischen
Kommission, mit der Aufschrift „DIVIDE & IMPERA“, um die
Machtausübung der EG zu kritisieren (Quelle: Galtung 1973).
sollten domestiziert werden, also die Muster der inner-
europäischen Politikführung und Konfliktbewältigung
auch auf externe Interaktionen übertragen werden
(ebd.). Dabei - und unter der schwebenden Bedrohung
eines möglichen Nuklearkonflikts der Supermächte des
Kalten Krieges - wurde gezielt eine Abkehr von militäri-
scher Macht als Mittel der internationalen Politik sowie
ein Bekenntnis zu „sozialen Werten wie Gleichheit,
Gerechtigkeit und Achtung des anderen“, welches auch
„die ärmeren Ländern einbeziehen“ muss, betont (ebd.).
Nichtsdestotrotz sind auch in diesen Debatten ein ge-
wisser missionierender Ehrgeiz und die Überzeugung,
dass das innereuropäische System auch extern zu ver-
breiten sei, nicht zu verleugnen.
Etwa zur gleichen Zeit erschien eine einflussreiche
Publikation des norwegischen Friedensforschers Johan
Galtung, die den europäischen Einigungsprozess weit-
aus skeptischer hinterfragte. In „The European Commu-
nity: A Superpower in the Making“ beschreibt Galtung
das sich integrierende Europa als ein imperiales Projekt
(Abb. 3.29). Galtung argumentiert, dass mit/seit dem
Ende des Zweiten Weltkriegs sechs europäische Mächte
(Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, die Nieder-
lande und Großbritannien) ihre Imperien verloren hat-
ten und daher versuchen, diese zerbrochenen Imperien
zu einem neuen, großen, neokolonialen Imperium zu-
sammenzufügen. Der „Gemeinsame Markt“, so Galtung,
sei somit wesentlich mehr als nur ein Markt; nämlich ein
Kampf um Macht, um Weltmacht für Westeuropa, wel-
cher sich vor allem in der Ausbeutung der ehemaligen
Kolonien ausdrückt (Galtung 1973).
Galtungs Beschreibung der EG als imperiale Super-
macht steht die Einschätzung der English School in den
Internationalen Beziehungen um Hedley Bull (1982)
gegenüber. Bezugnehmend auf Duchênes Ansatz der EG
als globale Zivilmacht beschrieb Bull die Idee der Zivil-
macht als einen wortwörtlichen Widerspruch: Civilian
Power Europe: A Contradiction in Terms? In Bulls Ansicht
konnte ein globaler Akteur nicht „zivil“ und gleichzeitig
eine „Macht“ sein, da zur Durchsetzung der eigenen
Interessen, also zur Machtausübung, zwangsläufig mili-
tärische Macht gehöre. Der Einfluss, den die EG auf das
internationale System ausübte, so Bull, war dementspre-
chend abhängig von einem strategischen Umfeld, das
durch die militärische Macht von Nationalstaaten
bereitgestellt wurde, welche die EG nicht kontrollierte.
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