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die jeweiligen Gesellschaften erscheint wegen der geringe-
ren kulturellen Distanz problemloser vor sich zu gehen als
diejenige der Muslime.
Die Zuwanderung von Menschen, für die Religion in der
Regel eine viel größere Bedeutung hat als für diejenigen der
bereits stark säkularisierten Aufnahmegesellschaften, hat
nun wieder Auswirkungen auf diese. Sie kann zu Ausein-
andersetzungen und Konflikten führen. Die Immigrantenre-
ligiosität kann aber auch zur Belebung erstarrter Religio-
sität führen. Immer häufiger wird daher auch für Europa von
der „Wiederkehr der Religion“ gesprochen und damit die
Säkularisierungsthese, die ohnehin nicht als global gültig
angesehen werden kann, auch für den Ausgangskontinent
der Säkularisierung infrage gestellt.
Mit dem europäischen Einigungsprozess durch die Er-
weiterung und Vertiefung der Europäischen Union stellt
sich zunehmend die Frage, inwieweit die verschiedenen reli-
giösen Kulturen in den Mitgliedstaaten harmonisiert wer-
den können und sollten. Dies bezieht sich vor allem auf das
Verhältnis zwischen Staat und Kirche bzw. Politik und Reli-
gion, das sich in Europa sehr unterschiedlich entwickelt hat.
Für den überwiegend protestantischen Raum sowie für
Großbritannien kann man von einem Staats- bzw. Volkskir-
chentum sprechen. Auch die orthodox geprägten Länder
waren durch eine sehr große Nähe von Staat und Kirche
geprägt, bis der Kommunismus eine scharfe Trennung bei-
der und eine mehr oder weniger starke Unterdrückung der
Religion brachte. Nach der Wende 1989/90 ist hier noch
nicht entschieden, inwieweit man wieder zu früheren Posi-
tionen zurückkehrt. In Frankreich hat sich seit Ende des
19. Jahrhunderts der Laizismus als eine Form strenger Tren-
nung beider Sphären entwickelt, die auch Auswirkungen auf
Belgien, Spanien und Portugal sowie (in einem anderen kul-
turellen Kontext) in der Türkei hatte und hat. Im Unterschied
zu den USA, die ja ebenfalls von einer deutlichen, aber
„freundlichen“ Trennung zwischen Staat und Kirche ge-
kennzeichnet sind, spricht man hier häufig von einer
„feindlichen“ Trennung. Die unterschiedlichen nationalen
Sichtweisen in den EU-Mitgliedsstaaten wurden bei der Dis-
kussion um einen Gottesbezug in der Präambel des ge-
planten europäischen Verfassungsvertrags bzw. des Ver-
trags von Lissabon 2007 deutlich. Er kam letztendlich nicht
zustande. Im Prinzip wird die Ausgestaltung des Staat-Kir-
che-Verhältnisses weiter den Mitgliedsstaaten überlassen.
Immerhin hatte sich die EU jedoch bereits im Vertrag von
Amsterdam 1999 erstmals verpflichtet, dass sie den Status,
den die Religionsgemeinschaften in den Mitgliedsstaaten
nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und nicht
beeinträchtigt.
rung bewohnt. Hingegen sind die Bewohner von Ser-
bien und Montenegro überwiegend griechisch-ortho-
doxe Serben. Sie haben in der Historie die Hauptlast der
Abwehrkämpfe gegen die Türken getragen - das ist
aktuell für die Inszenierung der serbischen Rolle in der
Politik nicht unwichtig, die wirtschaftliche Entwicklung
ist aber deutlich hinter der im nördlichen Landesteil des
ehemaligen Jugoslawien zurückgeblieben.
Bosnien/Herzegowina sowie Mazedonien standen bis
1878 bzw. 1913 für Jahrhunderte unter osmanischer
Herrschaft. Die teils muslimische, teils christliche Bevöl-
kerung begann nur während der kurzen Zeitspanne der
österreichisch-ungarischen Okkupation bzw. der osma-
nischen Reformbewegung sich aus den spätfeudalen
osmanischen Lebensverhältnissen herauszulösen. Aus
dieser Konstellation erwuchs die Krisenkonstellation der
späten 1980er-Jahre, der Nationalitätenstreit, der seine
deutlichste Ausprägung zwischen serbischen Zentralis-
ten und kroatischen Föderalisten gefunden hat, aber
noch eine Vielzahl weiterer Facetten aufweist. Insbeson-
dere werden in diesem Kontext häufig die sehr ausge-
prägten Wohlstandsunterschiede zwischen Norden und
Süden unterschätzt. So erreichte die industrielle Pro-
duktion Anfang der 1980er-Jahre in Slowenien eine
Indexwert von 223, während er in Bosnien und Herze-
gowina 76 und im Kosovo nur 28 betrug (Sperling &
Karger 1989).
Im Jahr 1990 wurden erstmals seit dem Zweiten Welt-
krieg freie Wahlen unter den Bedingungen eines Mehr-
parteiensystems in allen jugoslawischen Republiken
abgehalten. Die nördlichen Republiken schüttelten die
kommunistische Herrschaft ab, in Serbien und Monte-
negro blieben aber die alten Kräfte am Ruder. Die Wah-
len bildeten insofern eine Vorstufe des Zerfalls, als sie
Politiker an die Macht brachten, welche nach der Errich-
tung unabhängiger Kleinstaaten strebten. Nach Volksab-
stimmungen erklärten zunächst Slowenien und Kroa-
tien im Juni 1991 ihre Unabhängigkeit, gefolgt von
Mazedonien (November 1991) und Bosnien und Herze-
gowina (März 1992). In den Folgejahren eskalierten
sukzessive die Spannungen. Belgrad versuchte die Unab-
hängigkeitsbestrebungen zuerst militärisch zu unter-
werfen. So intervenierte die Jugoslawische Volksarmee
(JNA) zunächst 1991 in Slowenien (Zehn-Tage-Krieg)
und daraufhin in Kroatien (Kroatienkrieg). Massive
Kampfhandlungen spielten sich in den von Krajina-Ser-
ben beanspruchten Gebieten in Kroatien ab. Im Folgen-
den verlagerte sich der Krieg dann immer mehr nach
Bosnien-Herzegowina (Bosnienkrieg). Die Unabhän-
gigkeitsbestrebungen im Kosovo (Kosovokrieg) führten
1999 zur Interventionen der NATO auf dem gesamten
Territorium der Teilrepublik Serbien, die schließlich die
Einrichtung einer UN-Verwaltung in der Provinz zur
Folge hatte.
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