Geography Reference
In-Depth Information
Exkurs 3.3
Die ETA
Als Reaktion auf die repressive Politik während der Diktatur
Francos im Baskenland und die Unzufriedenheit mit der
PNV-geführten Exilregierung, die den bewaffneten Wider-
stand gegen die Diktatur ablehnte und mit der spanischen
Exilregierung zusammenarbeitete, etablierte sich die ETA
( Euskadi Ta Askatasuna = Baskenland und Freiheit), die ab
Mitte der 1960er-Jahre ihren „Freiheitskampf“ mit Attenta-
ten vorantrieb. Aufgrund der starken Repressionsmaßnah-
men und der „David-gegen-Goliath“-Situation hatte sie wie
andere „Befreiungsbewegungen“ viele, auch internationale,
Sympathien auf ihrer Seite. Politisch vertrat sie bald kom-
munistische Positionen. Mit Aktionen gegen die Atomindus-
trie im Baskenland versuchte sie ihre Basis auch in die linke
umweltbewegte Szene auszubreiten. Das Baskenland blieb
auch nach dem Ende der Diktatur in der Gewaltspirale
gefangen, die Terroristen und Polizei immer weiter nach
oben trieben. Außerdem griffen die Ordnungskräfte hart
durch und noch 1987 kam es wegen Entführungen durch
die Antiterroreinheit GAL zu einem politischen Skandal. Auf-
grund zunehmender Brutalität der ETA-Angriffe auch gegen
„Zivilisten“ und der als „Revolutionssteuer“ bezeichneten
Schutzgelderpressung ließ die Unterstützung der ETA auch
im Baskenland selber nach. Die Versuche zu Verhandlung
gestalteten sich als äußerst schwierig, da sie von Opferor-
ganisationen als Verrat verstanden wurden und die ETA in
der Vergangenheit regelmäßig Waffenstillstände gebrochen
hat.
Zentralistische spanische Politiker instrumentalisierten
die ETA immer wieder, um vor den Gefahren einer „Balkani-
sierung“ Spaniens zu warnen. Die von der konservativen PP
geführte Regierung hatte nach den Anschlägen auf den
Bahnhof Atocha, dem „11-M“ 2004, die mittlerweile der Al-
Qaida zugeschrieben werden, den Urheber schnell in der
baskischen Untergrundorganisation ausgemacht, um ange-
sichts der kurz bevorstehenden Wahlen den Zusammen-
hang zwischen dem Attentat und dem eigenen Engagement
im Irak-Krieg zu verschleiern und die unnachgiebig zentra-
listische Haltung in der laufenden Diskussion um eine wei-
tere Dezentralisierung des spanischen Staates zu rechtfer-
tigen.
sprechender Einwohner des Baskenlandes dar. Rund die
Hälfte der Einwohner Euskadís beherrscht die Sprache
nicht (CIS 2007).
Während der Diktatur militarisierte sich der Wider-
stand gegen das Regime in Madrid und rückte nach
links. Dadurch verlor die konservative, moderate PNV
ihre Hegemonie und geriet zunehmend in Konflikt mit
radikalisierten baskischen Nationalisten im Umkreis der
ETA und der ihr nahestehenden Partei „Herri Batasuna“.
Daher gelang im Übergang zur Demokratie die Integra-
tion in den Konsens der spanischen demokratischen
Parteien, der zur Verabschiedung der Verfassung von
1978 führen sollte, nur schwer. In den späten 1990ern
trat die PNV in Verhandlung mit der ETA. Sie rang der
ETA einen Waffenstillstand ab (an den diese sich jedoch
nicht hielt) und nahm im Gegenzug eine antikonstitu-
tionelle Position ein: Die von einer breiten baskischen
Koalition gewählte Regierung unter lehendakari (bask.
Ministerpräsident) Ibarretxe (PNV) strebte eine freie
Assoziation mit dem spanischen Staat an (Martínez-
Herrera & Miley 2010) und forcierte mit ihrem Strate-
giepapier „Plan Vasco de la Cultura“ von 2004 die „Stär-
kung der Identität“. Die Basken werden in einem
Entwurf zur Erneuerung des Estatutos de Autonomía
(Exkurs 3.2) explizit als Nation bezeichnet. Dieser Poli-
tikwechsel führte zu sinkendem Rückhalt der baskischen
Nationalisten in der Bevölkerung des Baskenlandes,
sodass seit den Wahlen 2009 der von den Sozialisten
(PSE-EE) und Konservativen (PP), die im spanischen
Parlament im Wechsel Regierung und Opposition stel-
len, unterstützte lehendakari Patxi López die Regie-
rungsgeschäfte leitet. Nach wie vor scheint die baskische
Zivilgesellschaft aufgrund der Militarisierung des Kon-
flikts und der schwachen kulturellen Integration in
antagonistische pro-spanische und pro-baskische Lager
geteilt. Diese Konstellation wird auch in Zukunft die
demokratische Lösung des „baskischen Problems“ er-
schweren.
Beispiel Jugoslawien - Zerfall einer
staatlichen Ordnung
Hans Gebhardt
In den 1990er-Jahren erfolgte einer der spektakulärsten
Staatszusammenbrüche im gegenwärtigen Europa: der
Untergang Jugoslawiens in einem blutigen Bürgerkrieg,
Search WWH ::




Custom Search