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Beispiel Baskenland -
ein schwelender Konflikt
lista Vasco (PNV) aufgrund innerer Differenzen vor
allem in den industrialisierten Zentren des Baskenlandes
zunächst wenig Einfluss.
Dennoch gelang eine Art nation-building um zentrale
Kategorien nationaler Identität wie Geschichte und Kul-
tur. Insbesondere eine gemeinsame geschichtliche Nar-
ration, die den Einzelnen mit einer als zeitlos wahrge-
nommenen nationalen Gemeinschaft verbindet, bildet
einen Kristallisationskern nationaler Identität (Ander-
son 1991). Zentral in der baskischen Geschichtsschrei-
bung sind historische Sonderrechte ( fueros ), die der
spanische König den nördlichen Provinzen ab dem
Mittelalter verlieh. Nationalisten fordern auf Grundlage
dieses historischen Rechts bis heute eine stark asymme-
trisch-föderale Gliederung des spanischen Staates oder
sogar die Unabhängigkeit vom spanischen Staat. Gleich-
zeitig basiert auf dem historische Geltungsbereich der
fueros die im baskischen Nationalismus am stärksten
verwurzelte territoriale Vorstellung Euskal Herria , die
aus der spanischen comunidad autónoma País Vasco
(Exkurs 3.3), der Provinz Navarra sowie einem Teil des
französischen départments Pyrénées-Atlantiques besteht
(Abb. 3.20). Krudwig bezog sich, im Rekurs auf die bas-
kische Nationalgeschichte, mit seiner Imagination von
Vasconia (Abb. 3.20) auf das Königreich Navarra unter
Sancho dem Großen (1000 - 1035) und inspirierte mit
dieser Vorstellung den linken ETA-nahen Nationalismus
(Mansvelt Beck 2006).
Die heutige comunidad autónoma Baskenland (bask.
Euskadi ) umfasst die provincias Álava, Guipúzcoa und
Vizcaya und bildet die Hochburg des baskischen Natio-
nalismus. In Frankreich gab es zwar schon im 19. Jahr-
hundert eine kleine baskophile Elite, jedoch fand sie kei-
nen großen Rückhalt. Die baskischen Parteien erhalten
bei Lokalwahlen maximal um 10 Prozent der Stimmen.
Dennoch diente Frankreich als Rückzugsraum für ETA-
Terroristen und es wird die Gründung eines baskischen
départements diskutiert. In Navarra erhalten baskische
Nationalisten regelmäßig 15 bis 20 Prozent der Stim-
men. Auch die Symbole der Basken leiten sich aus der
gemeinsamen historischen Narration ab. Als symboli-
scher Ort gilt beispielsweise die Eiche von Guernica, die
seit dem Mittelalter als Versammlungsort diente. Die
Bombardierung von Guernica durch die deutsche
Legion Kondor im spanischen Bürgerkrieg, die von
Picasso im gleichnamigen Gemälde dargestellt wurde,
verfestigte die Bedeutung des Ortes, der symbolisch für
die Unterdrückung des baskischen Volkes steht. Die bas-
kische Sprache, deren Gebrauch zugunsten des Spani-
schen zurückgegangen war, wurde zum Vehikel und
Symbol des neu erstarkten baskischen Nationalismus
und wird seit 1919 von der baskischen Sprachakademie
( Academia de la Lengua Vasca Euskaltzaindia ) gepflegt.
Da Baskisch dem Spanischen nicht ähnelt, stellte sie ein
Hindernis für die sprachliche Integration nichtbaskisch
Jörg Mose
Denkt man an Separatismus in Europa, so fällt einem
zunächst das Baskenland ein, das die Terroristen der
ETA in den letzten Jahrzehnten immer wieder medien-
wirksam ins internationale Bewusstsein zurückgebombt
haben. Dabei rekurrieren die Terroristen, wie auch die
Politiker der peripher-nationalistischen baskischen Par-
teien, auf ein statisches essentialistisches Konzept quasi-
naturgegebener nationaler Identität. Ein solches Ver-
ständnis wurde in den letzten Jahrzehnten von
poststrukturalistisch arbeitenden Gesellschaftswissen-
schaften dekonstruiert. Im Folgenden soll auf diesem
Ansatz aufbauend nachgezeichnet werden, wie die bas-
kische Nation konstituiert wurde, sich im Sinne eines
sedimentierten Diskurses institutionalisiert hat und bis
heute die (Identitäts-)Politik in Spanien rahmt.
Die ultrakonservative, zum Teil von xenophoben Ten-
denzen geprägte baskische Nationalbewegung speiste
sich zunächst aus durch die Industrialisierung abge-
hängter ländlicher Bevölkerung und Anhängern der
Carlistenbewegung, die in mehreren Bürgerkriegen
gegen die Modernisierung und Säkularisierung Spa-
niens gekämpft hatten (Molina 2010). Allerdings hatte
die 1895 von Sabino Arana gegründete Partido Naciona-
Ich fühle mich …
keine Angaben:
6%
… nur spanisch:
5%
… mehr spanisch
als baskisch: 8 %
… nur baskisch:
21 %
… mehr baskisch
als spanisch: 28 %
… genauso spanisch
wie baskisch: 32 %
Ich befürworte einen spanischen Staat …
keine Angaben:
4,5 %
… mit einer
Zentralregierung: 2,2 %
… der die Unabhängigkeit
der comunidades
autónomas zulässt: 26, 3 %
… mit comunidades
autónomas wie
derzeit: 34,8 %
… in dem die comunidades autónomas
Autonomie haben: 32,2 %
Abb. 3.25 Nationale Identität und Vorstellungen über den
spanischen Staat im Baskenland (verändert nach: CIS [Centro
de Investigaciones Sociológicas] 2007).
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