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Identitäten zum Vorschein kommen, sondern als eine
strategische Wahl von Individuen, die unter anderen
Bedingungen andere Gruppenmitgliedschaften wählen
würden, um Macht und Vorteile zu gewinnen“ (zit. nach
Gerdes 1987).
Im Folgenden werden einige Beispiele für Regional-
konflikte in Europa mit sehr unterschiedlichem Kon-
fliktpotenzial vorgestellt, angefangen vom friedlichen
Nationalismus in Katalonien über Beispiele von mode-
rierten oder beigelegten Konflikten bis hin zum blutigen
Zerbrechen eines Nationalstaats im Falle von Jugosla-
wien.
Dichterwettstreit, der mit seinem Namen an mittelalter-
liche Minnewettbewerbe erinnert, wurde sein Gebrauch
in der Poesie forciert (Vilar 2005). Es folgte der Ausbau
des Katalanischen als Hochsprache.
Gleichzeitig wurde Katalonien aber auch über eine
historische Narration konstituiert, die sich von der
spanischen Historiographie unterschied. Für beide
Gemeinschaften lässt sich wie für viele andere Nationen
(Smith 1988) ein teleologisches Erzählmuster nachwei-
sen, das von der Genese der Volksgemeinschaft über die
Goldene Zeit und den Niedergang bis zur strahlenden
Wiedergeburt reicht. Allerdings sind die Spannungsbö-
gen zeitlich verschoben, sodass zum Beispiel die Gol-
dene Zeit Spaniens den Niedergang Kataloniens bedingt
und so beide Nationen antagonistisch gedacht werden
(Abb. 3.19). Episoden der katalanisch-nationalistischen
Historiographie, die als katalanischer Widerstand gegen
die Herrschaft des spanischen Königshauses gelten, wur-
den zum Symbol katalanischer Identität. So wird mit der
katalanischen Hymne dem Aufstand der Schnitter ge-
dacht und der Nationalfeiertag am 11. September er-
innert an die Einnahme Barcelonas durch Truppen des
spanischen Königs 1714 (Mose 2007).
Angesichts der zunehmend negativen Bewertung des
spanischen Staates als unmodern politisierte sich die
regionalistische Bewegung zunächst im Rahmen der
konservativ-bourgeoisen Lliga de Catalunya, die mit
dem katalanistischen Wahlbündnis Solidaritat Cata-
lana erste Wahlerfolge feierte. Eine erste territoriale
Institutionalisierung des neuen regionalen Identitätsge-
fühls war 1914 die Gründung der Mancomunitat de
Catalunya , einer Verwaltungsorganisation für die Berei-
che Bildung, Sozialwesen und Infrastruktur für die Pro-
vinzen Barcelona, Girona, Lleida und Tarragona, die
während der Diktatur Primo de Riveras wieder aufgelöst
wurde (Herold-Schmidt 2005). In der Zweiten Republik
wurde ein Autonomiestatut verabschiedet, das die durch
Beispiel Katalonien - ein friedlicher
regionaler Nationalismus
Jörg Mose
Da die Konflikte zwischen dem katalanischen Nationa-
lismus und dem spanischen Staat in den letzten Deka-
den friedlich und demokratisch moderiert wurden, steht
der Katalanismus weniger im Medieninteresse. Gerade
deshalb ist der Fall Katalonien aber besonders interes-
sant, da er zum Vorbild für die friedliche Lösung natio-
nal gerahmter Konflikte dienen kann. Das Kapitel
umreißt die Konstruktion katalanischer Identität gegen-
über dem spanischen „Anderen“ und zeigt, wie Katalo-
nien trotzdem von einer breiten Mehrheit der Katalanen
als Teil des spanischen Staates wahrgenommen wird.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich auf Grundlage
der romantizistischen Suche nach den eigenen Wurzeln
in Katalonien die Renaixença -(Wiedergeburts-)Be we -
gung. Im Zentrum der Aktivitäten stand zunächst das
Katalanische, das zu dieser Zeit als Sprache vom Kastili-
schen (Spanisch) verdrängt worden war und nur noch
als Dialekt gesprochen wurde. Mit den jocs florals , einem
España
spanisches
Kolonialreich
Machtverlust
Spaniens
Auferstehung
spanischer Werte
Reconquista
katalanische
Unabhängigkeit
mediterranes
Handelsimperium
Zentralisierung
Spaniens
Renaixença
Abb. 3.19 Spannungsbögen nationaler
historischer Narrationen über Spanien
und Katalonien.
Catalunya
 
 
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