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unter auch Großbritanniens ausdrückt, dass sich die
deutsch-französische Allianz als zu machtvoll, zu
dominierend und damit zu stark richtungweisend her-
ausstellt. Ein ähnliches Muster verfolgt die aus der euro-
päischen Geschichte abgeleitete Logik der nationalstaat-
lichen Eigenständigkeit und Differenz, sie wird ebenfalls
häufig zur Sicherung der Souveränität der Staaten und
zur Vermeidung zentralistischer Tendenzen der EU-
Strukturen eingesetzt. Das Argument der Mittellage ist
ein spezifisches Muster der deutschen Europa- und
EU-Politik, das nicht nur latent geodeterministisch ist,
sondern durch die Geschichte historisch belastet ist
(Exkurs 3.1).
In allen Fällen dient die Sicherheitslogik häufig als
eine Art „Sekundant“ eigener geopolitischer Vorstellun-
gen bezüglich der Gestalt und Größe der EU. Sie wird
konkret durch In-Aussicht-Stellen existentieller Bedro-
hungen (z. B. politische oder wirtschaftliche Risiko-
szenarien) aktiviert.
der Nachbarn“ (mit Balkan) apostrophiert, während
Länder wie Weißrussland, die Ukraine und Moldawien
auf Grundlage historisch-kultureller Diskurse - als das
Andere - zumeist eher aus der Runde der Erweite-
rungskandidaten ausgeschlossen werden: Aus französi-
scher Sicht legen sowohl das orthodoxe Erbe dieser
Länder als auch die historischen geopolitischen Abhän-
gigkeiten eher die Anbindung dieser Länder an Russ-
land als an die EU nahe. Die Türkei wird - ebenfalls im
Rückgriff auf kultur-räumliche Argumentationen -
eher „zwischen Orient und Okzident“ verortet und des-
halb in einer Art geopolitischen Zwitterstellung posi-
tioniert. Daraus ergibt sich eine ambivalente Haltung
hinsichtlich eines möglichen Beitritts, der dann konse-
quent lediglich als Option für die Zukunft formuliert
wird.
Mit den beiden Osterweiterungen 2004 und 2007
wird aus französischer Sicht die EU innerhalb Europas
nicht nur nach innen gefestigt, sondern zunehmend
auch in Bezug auf ihre Rolle nach außen als eine Art
eigene Weltmacht in einem sich verändernden globalen
geopolitischen Gefüge verstanden. Viele der französi-
schen Akteure formulieren aus ihrer nationalen Per-
spektive heraus das Interesse, dass Europa eine entspre-
chend stärkere Rolle auf der Weltbühne einnehmen
solle. Dazu bedürfe es jedoch einer stärkeren institutio-
nellen Konsolidierung und Vertiefung der EU, so die
mehrheitliche Option der politischen Vertreter Frank-
reichs. Damit meinen die interviewten französischen
Akteure zumeist die Stärkung der föderativen Struktur.
In diesem Sinne wurde seinerzeit vonseiten der nationa-
len französischen Vertretung im Europaministerium die
konsequente Entwicklung funktionierender Konsens-
prinzipien und leistungsfähiger Organe mit Entschei-
dungskompetenz vorgeschlagen, insbesondere im Be-
reich der EU-Wirtschafts- und Außenpolitik. Erst dann
könne die EU eine stärkere gemeinsame Machtposition
auf der Weltbühne und eine gewichtigere Rolle im Kon-
zert der kommenden globalen Großmächte einneh-
men. Den Weg dorthin sehen die befragten Akteure aber
als sehr weit an und mit mannigfaltigen Problemen ge-
pflastert.
Zur regionalen Spezifik geopolitischer
Leitbilder Europas und der EU
Die oben beschriebenen diskursiven Argumentationsli-
nien werden von verschiedenen Protagonisten im Kon-
text der EU sehr unterschiedlich verwendet, inhaltlich
ausgefüllt und zueinander in Beziehung gesetzt. Um die
mögliche Gegensätzlichkeit vorhandener Positionen
deutlich zu machen, seien hier exemplarisch die geopo-
litische Imaginationen europapolitischer Akteure aus
Frankreich und Großbritannien umrissen. Wenn dar-
aus im Folgenden eine jeweils als „national“ etikettierte
Gesamtperspektive abgeleitet wird, so geschieht dies
vor dem Hintergrund vorhandener Parallelen in den
Einstellungen vieler Politiker der Länder, die sich dort
oft auch über Parteigrenzen hinweg finden lassen.
Gleichwohl muss gesagt werden, dass mit einer solchen
Form der Argumentation gleichzeitig Teile der vorhan-
denen Differenzen innerhalb der Länder ausgeblendet
werden, das heißt in der „räumlichen Abstraktionsfalle“
einer nationalstaatlich angelegten Argumentation lan-
den.
Geopolitische Regionalisierungen
europapolitischer Akteure des
Vereinigten Königreichs
Geopolitische Regionalisierungen
europapolitischer Akteure der
Französischen Republik
Die Rolle und geopolitische Verortung Großbritanniens
in Europa und im Verhältnis zur EU stellt sich aus Sicht
der Mehrzahl der europapolitischen Akteure des Verei-
nigten Königreichs deutlich anders dar. Sie gründet sich
zunächst auf der weit verbreiteten Narrative großer
nationaler Eigenständigkeit. Ihr Interesse geht entspre-
chend eher dahin, die von der Mehrheit der französi-
Die französische Position war im Kontext der jüngeren
EU-Erweiterungsdebatten 2004 durch eine kultur-räu-
m liche geographical imagination Europas gekennzeich-
net, die eine Gegenüberstellung zweier Nachbarschafts-
räume entwirft: Die EU stellt den „Raum der Nähe“
dar, potenzielle Erweiterungsbereiche werden als „Raum
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