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Der Kalte Krieg als geopolitisches
Leitbild
Dominotheorie, „Eiserner Vorhang“
und containment- Politik in Europa
Solche geopolitischen Repräsentationen begannen per-
formativ zu werden, als die praktische Politik der USA
nach 1945 die Herausbildung einer stabilen Ordnung in
Europa durch die amerikanische Militärpräsenz zu un-
terstützen begann. Als Begründung dienten erneut Risi-
kokonstruktionen aus den Verortungsspielen des geo-
politischen Diskurses. So wurde aus der Sicht „des
Westens“ unter anderem die Verhinderung eines Aus-
baus der sowjetischen Landmacht als wichtiges politi-
sches Ziel angeführt. Die „Geo-Logik“ der Mackin-
der'schen heartland- Theorie schimmerte hier mehr als
deutlich durch. Winston Churchill fügte diesem Szena-
rio noch eine sehr plastische Grenzrepräsentation hinzu,
wenn er vom iron curtain , vom „Eisernen Vorhang“,
sprach, der sich nunmehr längs durch Europa ziehe.
Eine in dieser Form räumlich angelegte Bedrohungs-
konstellation benötigt auch eine inhaltliche Risiko-
semantik, die nicht nur eine qualitative Unterscheidung
zwischen dem Eigenen und dem Fremden möglich
macht, sondern diese auch bewertbar macht, das heißt,
ein „Besser“ und ein „Schlechter“ schafft. Diese Aufla-
dung erhält ihre erste prominente Sichtbarkeit nach
Ó Tuathail (1996) mit der Truman-Doktrin. Sie führte
nicht nur die Unterscheidung zwischen der demokrati-
schen und der kommunistischen Welt in den politischen
Diskurs ein, sondern nahm zusätzlich die entsprechen-
de Bewertung vor: „Through the use of earth-labeling
categories like ‚the free world' and ‚the enslaved world',
the geographical kaleidoscope of the map becomes the geo-
political monochrome of good versus evil, capitalism
versus communism, the West versus the East, America ver-
sus the Soviet Union. All places and conflicts were inter-
preted within the binary terms of this Manichean map“
(Ó Tuathail 2006). Aus Sicht „des Westens“ standen
dabei Freiheit und Demokratie gegen Totalitarismus
und Diktatur sowie Marktwirtschaft gegen Planwirt-
schaft. Natürlich lieferten Protagonisten aus der Sowjet-
union eine ähnliche Rhetorik mit umgekehrten norma-
tiven Vorzeichen. Hier stand dann die systematische
Ausbeutung im imperialistischen Kapitalismus gegen
die von der Staatspartei umsichtig geleitete Entfaltung
der sozialistischen Persönlichkeit im sukzessiven Über-
gang zu einem (hier ebenfalls als demokratisch bezeich-
neten) Kommunismus.
Im Kontext der diskursiven Teilung Europas, später
auch des Korea- und des Vietnamkriegs, entfalteten sich
zwei weitere Argumentationsfiguren, die beide fast pro-
totypisch die geopolitische Logik des Raumes bemüh-
ten: Dominotheorie und containment- Politik.
Mit der Dominotheorie wurde eine machtvolle geo-
politische Repräsentation ins Leben gerufen, die das in
der klassischen Geopolitik gern verwendete determinis-
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges etablierte sich
in den kommenden Jahrzehnten das Leitbild vom Kalten
Krieg und trennte in Europa die unterschiedlichen ideo-
logischen Blöcken zugehörigen Staaten mit einem
„Eisernen Vorhang“. Diese Entwicklung wurde seiner-
zeit von Politikern gern als quasi natürlicher Ablauf der
Verkettung historischer Umstände und Handlungen
interpretiert, sozusagen als zwangsläufige Folge der
machtpolitischen Situation und Konfrontation am Ende
des Zweiten Weltkrieges.
Mittlerweile sieht man solche Interpretationen kriti-
scher: Politische Geographen und Historiker haben her-
ausgearbeitet, dass die Konfrontation der Blöcke und die
damit verbundene geopolitische Zerteilung Europas
alles andere als eine Art logische Folge der Situation
nach dem Zweiten Weltkrieg darstellte. Sie wurde viel-
mehr auf der Basis der latent vorhandenen Diskurse his-
torischer geopolitischer Gegnerschaften auf beiden Sei-
ten „gemacht“.
Die Konstruktion dieser geopolitical imagination
begann relativ bald nach dem Ende des Krieges. Gerade
die USA hatten an der herausgehobenen Rolle geopoli-
tischer Leitbilder im Zeitalter des Nationalsozialismus
gelernt, wie machtvoll solche globalen geostrategischen
Imaginationen für die Rahmung des außenpolitischen
Handelns sein konnten. Entsprechend entstanden hier
recht zügig in wissenschaftlichen und politischen Think-
tanks erste entsprechende Ordnungsvorstellungen. Sie
zielten vor allem darauf ab, die Rolle der USA in Rela-
tion zu Westeuropa und zur Sowjetunion neu zu fassen.
Insofern war der Kalte Krieg „a consequence of the geo-
political discourse that became dominant in the United
States in 1946 and 1947 and the reaction it provoked from
the Stalinist regime“ (Ó Tuathail 2006).
So neu die geopolitischen Entwürfe scheinen moch-
ten, so alt waren teilweise die räumlichen Muster, die
ihnen zugrunde lagen. Sie griffen auf diskursive Linien
der Verortung zurück, welche die geopolitischen Theo-
rien Halford Mackinders oder Nicholas John Spykmans
vom Prinzip her bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahr-
hunderts vorgezeichnet hatten. Im Kern ging es ein wei-
teres Mal um die Inszenierung des Kampfes einer See-
macht (jetzt nicht mehr allein Großbritanniens,
sondern auch der USA) gegen eine Landmacht (jetzt
nicht mehr Russland, sondern die Sowjetunion) bei der
Kontrolle um die dazwischen aufgespannten Bereiche,
von denen strategisch wichtige Teile sich in Europa
befanden.
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