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Obstanbaus geführt haben (Sippel 2011). Die im Ver-
gleich zu Südspanien noch einmal südlichere Lage
ermöglicht den Export beispielsweise von Tomaten in
der echten „Gegensaison“ - und bedeutet andererseits
den sehr regulierten Zugriff Europas auf die Geopoten-
ziale (z. B. Grundwasserressourcen) eines extraterritori-
alen Raumes (Berndt & Boeckler 2011).
Die Perspektive, dass die Interessen eines europä-
ischen Zentralraums zur Sicherung des eigenen Lebens-
standards solche Effekte in der Peripherie haben, ermög-
licht eine weitere, eine alternative Erzählung der
europäischen Integration. Als ein außerlandwirtschaftli-
ches Beispiel mag die aktuelle Tourismuslandschaft die-
nen: Dazu ist die Überlegung zu akzeptieren, dass in
hoch professionalisierten Gesellschaften persönliche
Zeitbudgets nur noch eingeschränkt in der Verfügungs-
gewalt von Individuen liegen und entsprechend wenig
spontan gestaltbar sind. Vielmehr sind größere Teile
durch die Taktung von Lebensrhythmen kollektiven
Belangen untergeordnet worden. Dementsprechend ist
ein Urlaub, der zu mehr oder weniger festen Zeiten
genommen werden muss, zu einem knappen und des-
halb zu optimierenden Gut geworden, das als subopti-
mal genutzt gilt, wenn es nicht von genügend Sonne und
Wärme im Sommer bzw. Schnee im Winter begleitet
worden ist. Der Aufbau monostrukturierter Freizeit-
und Tourismuslandschaften an der nördlichen Mittel-
meerküste oder in den Hochlagen der Alpen wiederum
ist dann als räumliche, durchaus materielle Strategie der
Risikominimierung eines politisch und ökonomisch
machtvollen Zentrums zu verstehen.
Die EU ist demnach einerseits eine Institution, in der
interregionale Kooperation und territoriale Kohäsion
wichtige Entwicklungsziele darstellen, in der anderer-
seits die vier Grundfreiheiten (Kapitel 3) nicht nur die
Integration von Regionen, sondern auch den Zugriff auf
deren Potenziale vereinfachen. Solche Prozesse sind
weder auf Europa beschränkt, noch ist diese Art der
Integration der Peripherien in Europa „erfunden“ wor-
den, sodass man nicht von „europäischen Kulturland-
schaften“ sprechen kann. Das europäische liegt vielmehr
darin, dass viele Kulturlandschaften in Europa Elemente
aufweisen, die gelegentlich noch auf ältere, kleinräum-
liche Bezüge der Risikobewältigung verweisen. Ihre
Ablösung durch eine räumliche Arbeitsteiligkeit hat
längst vor den Zeiten der EU begonnen. Die EU aber hat
die strategisch verfügbaren Raumdistanzen noch einmal
deutlich und in mehreren Schritten erweitert - und sie
ist durch die Regularien ihres Binnenmarktes die domi-
nierende Größe in der Bezugnahme von Akteuren
geworden, die die Kulturlandschaften in konstanter
Anpassung umgestalten. Zwar steht auf der einen Seite
die Entwicklung von Agrarlandschaften, die unter dem
Druck ökonomischer Effizienz und räumlicher Arbeits-
teiligkeit dazu tendieren, gleichförmig zu werden, aber
auf der anderen Seite versucht auch gerade die EU durch
Maßnahmen des Landschafts-, Umwelt- und Produkt-
schutzes (Kapitel 5, Ermann 2009) diesem langfristigen
Trend entgegenzuwirken und als typisch empfundene,
aber bedrohte Kulturlandschaften zu schützen. Mittels
der geschützten Ursprungsbezeichnung, die auch
regionstypische Produktionsweisen beinhalten kann,
kann im besten Fall eine funktionale Verbindung zwi-
schen einem landwirtschaftlichen Produkt und der zu-
gehörigen, traditionellen Kulturlandschaft gefördert
werden.
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