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Vinci, Michelangelo, Rodin, Van Gogh and Picasso. Festi-
vals have evolved from ancient pagan rituals. Hell, even
beer drinking has a time-honoured track record“ (John -
stone et al. 2007).
Hier wird Europa zugleich als Teil der eigenen (west-
lichen) Kultur wie als Gegenwelt konstruiert und der
Fokus liegt insbesondere auf Natur- und Kulturland-
schaften, die es so in Nordamerika, Australien und so
weiter nicht gibt: Schlösser, gotische Kirchen und euro-
päische Malerei. Städte werden - im Zuge des durch Bil-
ligflüge angeheizten Städtetourismus - mehr denn je als
Ziel bevorzugt:
„Although it's steeped in the past, Europe isn't living in
it. Ancient monuments such as Athens' Acropolis and
Rome's Colosseum sit amid vibrant, thriving cities. Paris
and Prague might look quaint, but their attitude is defini-
tely contemporary, cosmopolitan and liberal, while buz-
zing multicultural metropolises such as Berlin and London
are visibly 21st-century cities“ (www. adventurecollec -
tion.com).
Neben Städtereisen zieht in Europa natürlich auch
die „wilde“ Peripherie Touristen an: Island, Irland und
europäische Inseln sind das bevorzugte Thema in der
Diskussionsplattform „Lonely Planet Forum Europa“
(www.lonelyplanet.com).
Seit dem Ende des Sozialismus in der früheren Sow-
jetunion und in Ostmitteleuropa haben sich die Raum-
vorstellungen von Europa Schritt für Schritt verscho-
ben. Noch finden Ferien- oder Urlaubsreisen in diese
Länder seltener statt als solche nach Frankreich oder an
die Sonnenküsten Italiens und Spaniens.
Das „europäische Haus“ -
vom Kanal bis zum Ural?
Europa ist mit rund 10 Millionen Quadratkilometern
der zweitkleinste der Erdteile und liegt auf der nörd-
lichen Halbkugel zwischen 35 und 72 Grad nördlicher
Breite. Ungefähr 35 Prozent seiner Gesamtfläche entfal-
len auf Inseln und Halbinseln, die durch Nebenmeere
des Atlantischen Ozeans voneinander getrennt sind. Mit
dieser starken Zergliederung ist eine ungewöhnlich
lange Küstenlinie verbunden, welche insgesamt fast
100 000 Kilometer umfasst. Die engräumige Verzahnung
von Land und Meer hat darüber hinaus einen geringen
Küstenabstand zur Folge. 62 Prozent der Fläche Europas
können als küstennah bezeichnet werden.
Geographisch kann Europa als der westliche Appen-
dix der großen asiatischen Landmasse gesehen werden,
welche 37 Prozent der festen Erdoberfläche umfasst.
Während die Grenzen nach Norden, Westen und Süden
eindeutig sind (Meeresgrenze), gibt es keine eindeutige
physisch-geographische beziehungsweise kulturgeogra-
phische Grenze Richtung Osten.
Sinnvollerweise spricht man deshalb in einem geo-
graphischen Verständnis von Eurasien; die letztlich
schematisch festgelegte Grenze liegt konventionell am
Hauptkamm des Ural. Sie zieht sich über den Ural-
fluss, das Kaspische Meer, die Manytsch-Niederung, das
Schwarze Meer, den Bosporus und schließlich die Dar-
danellen bis zum Ägäischen Meer.
Der Ural und auch der Kaukasus bildeten jedoch seit
dem Erstarken des Russischen Reichs und der späteren
Sowjetunion nie eine kultur- oder wirtschaftsgeogra-
phische Grenze. Auch nach dem Zusammenbruch
der Sowjetunion wird sich dies nicht ändern. Das heu-
tige Russland als Kernraum der zerbrochenen Sowjet-
union umfasst sowohl europäische als auch asiatische
Gebiete. Zwischen Georgien und der Türkei die Grenze
eines Kontinents legen zu wollen, mutet gerade heute,
nach dem Ende des „Eisernen Vorhangs“ und einem
inzwischen regen Warenaustausch, unangemessen an
(Abb. 1.3).
Europäische Geographien -
Raumbilder von Europa
In den Raumvorstellungen der europäischen Menschen
war nach dem Zweiten Weltkrieg die alte Mitte Europas
zur Peripherie geworden, zu einer ideologischen und
ökonomischen Grenze, welche nur noch selten über-
schritten werden konnte.
100 Jahre zuvor wurde Europa noch ganz anders kon-
struiert. Dies wird vor allem in der Diskussion um die
Mitte des Halbkontinents, Mitteleuropa, deutlich. Im
Jahre 1904 publizierte der Geograph Joseph Partsch
seine bekannte Landeskunde von „Mitteleuropa“ und
grenzte dabei seinen Darstellungsraum in einer Weise
ab, welche sich deutlich von Nachkriegsraumbildern
unterscheidet (Abb. 1.2).
Zu Mitteleuropa gehören bei Partsch neben dem
Deutschen Reich weite Teile Südosteuropas, die zumin-
dest den Westdeutschen im Bewusstsein und in der
Wahrnehmung eher fern gerückt sind: Bulgarien und
Rumänien sowie die heutigen Krisenregionen des Bal-
kans (Nachfolgestaaten Jugoslawiens). Umgekehrt rech-
net Partsch Räume nicht zu Mitteleuropa, die uns heute
sehr nah sind, die norditalienischen Seen beispielsweise,
jene Wochenenderholungsgebiete der Münchner Frei-
zeitgesellschaft.
 
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