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Exkurs 2.8
Waldbrände in Europa
Daniel Kraus und Marc Castellnou
Bedingt durch Landnutzungsänderungen in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich vor allem im südeu-
ropäischen Raum ein Anstieg der Häufigkeit und Intensität
von Waldbränden feststellen. Vor allem die Zunahme von
katastrophalen Großbränden im Laufe der letzten 10 Jahre
gibt Anlass zur Sorge, dass sogenannte Megafeuer-Ereig-
nisse, wie diejenigen, die in Portugal 2003, Spanien 2006
und Griechenland 2009 aufgetreten sind, nun rasant zuneh-
men. Diese verheerenden und fast unkontrollierbaren Wald-
brände stellen eine neue Generation von Waldbränden dar,
die in der europäischen Waldbrandgeschichte bis vor Kur-
zem noch unbekannt war. Erfahrungen aus anderen Teilen
der Welt zeigen, dass der Ursprung des Megafeuer-Phäno-
mens nur teilweise aus den Folgen des globalen Klimawan-
dels, insbesondere von veränderten Niederschlagsregimen,
hergeleitet werden kann. Eine Zunahme der Durchschnitts-
temperaturen und Trockenperioden verstärken nur die
Symptome eines Phänomens mit einer viel längeren Inku-
bationszeit, das seinen Ausgang in weitreichenden Land-
schaftsveränderungen seit dem frühen 20. Jahrhundert hat.
Die Aufgabe vieler Landnutzungsformen und ein regelrech-
ter Exodus vom Land in die Stadt hatte gerade im mediter-
ranen Raum auch die Aufgabe von traditioneller Feuernut-
zung zur Folge. Zusätzlich wurde der Einsatz von Feuer
zunehmend kriminalisiert und der Schutz von Waldressour-
cen, als deren größter Feind das Feuer galt, gewann eine
hohe Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung. Eine
zunehmend urbane Gesellschaft war bald nicht mehr in der
Lage, die Rolle des Feuers in der Landschaft zu erkennen.
In der Folge erlangte die schnelle und effektive Bekämpfung
sämtlicher Waldbrandereignisse hohe Priorität in der euro-
päischen Politik und der Aufbau schlagkräftiger Feuerwehr-
strukturen sowie die Vorhaltung großer Löschflotten wur-
den forciert. Um dieser Entwicklung zu begegnen, sind neue
und innovative Konzepte gefragt, die Landschaftsplanung
und gezielte waldbauliche Maßnahmen berücksichtigen, um
die Waldbrandgefahr zu reduzieren. Dieser präventive An-
satz wird auch mit dem Begriff „Integratives Feuermanage-
ment“ umschrieben.
terranen Klimagebieten in anderen Teilen der Welt (Atahan
et al. 2004, Dodson 2001, Keeley & Fotheringham 2001)
erlauben die Schlussfolgerung, dass Feuer die treibende
Kraft hinter der Ausformung von Ökosystemen auch im
Mittelmeerbecken war. Obwohl sich die genauen Ursachen
der prähistorischen Brände heute nicht mehr mit der erfor-
derlichen Genauigkeit rekonstruieren lassen, zeigen Auf-
schlüsse mit Holzkohlepartikeln und Pflanzenpollen, dass
während der nacheiszeitlichen frühen Wärmezeit (9000 BP)
eine mäßige, aber regelmäßige Holzkohleakkumulation
stattfand, die auf periodisch wiederkehrende Brände so-
wohl in Mitteleuropa als auch im Mittelmeerbecken schlie-
ßen lässt (Vázquez & Moreno 1998, Clark et al. 1989). Nach
einem kurzzeitigen Rückgang der Feueraktivität gibt es im
Mittelmeergebiet einen deutlichen Anstieg ab etwa
6000 BP (Carrión 2002, Franco-Múgica et al. 2005) und ab
etwa 3700 BP in Mitteleuropa im Zusammenhang mit neoli-
thischer Brandrodungstätigkeit (Clark et al. 1989). Natürli-
che Brände wurden im kühleren und feuchteren Klima des
Subatlantikums in Mitteleuropa eher selten und im Mittel-
meergebiet deutlich von anthropogener Feuernutzung über-
lagert. Dennoch gibt es deutliche Hinweise auf natürliche
Feuerregime in Europa (Castellnou et al. 2002, Zackrisson
1977). Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem
die Beobachtung, dass frühe Siedlungsplätze auf der Iberi-
schen Halbinsel sehr häufig in Gebieten liegen, deren wind-
getriebene Feuerregime auch heute noch in Zusammen-
hang mit natürlichen Blitzschlagfeuern stehen. Gerade dort,
wo durch Feuer offene Vegetationsstrukturen geschaffen
wurden, haben sich Menschen bevorzugt niedergelassen
(Castellnou 1996, Carrión 2002). Die borealen Wälder
Nordeuropas entwickelten sich ebenfalls unter dem Ein-
fluss eines regelmäßig wiederkehrenden Feuerregimes bis
zum Beginn der modernen Forstwirtschaft in Skandinavien
(Niklasson & Granström 2000, Carcaillet et al 2007).
Spätestens seit dem Neolithikum wurde Feuer in unter-
schiedlichen Anwendungsformen bei der Gestaltung des
Lebensraumes gebraucht und gezielt für Rodungszwecke
eingesetzt (Clark et al. 1989). Wo aus klimatischen und eda-
phischen Gründen kein permanenter Ackerbau möglich war,
wurden Wanderfeldbausysteme geschaffen (Heikinheimo
1915, Kapp 1984). Feuer wurde über einen langen Zeitraum
traditionell zur Beseitigung von Pflanzenabfällen, Verbesse-
rung von Weideflächen, Beseitigung von abgestorbenem
Pflanzenmaterial und Erhaltung von Offenland verwendet
(Lázaro 2010). Der Einfluss von Feueranwendung auf die
Dynamik der großen Heidelandschaften Nordwesteuropas
wurde vor allem in Großbritannien, Holland und Dänemark
Feuergeschichte Europas
Feuer war schon in prähistorischer Zeit ein Schlüsselfaktor
für die Dynamik vieler europäischer Ökosysteme. Aufgrund
der Klimaschwankungen während des Holozäns änderten
sich auch die Rahmenbedingungen für Vegetationsbrände:
Während trocken-warmer Klimaphasen kam es zu häufige-
ren Blitzschlagereignissen und Vegetationsbränden (Váz-
quez & Moreno 1998, Granström 1993). Daten aus medi-
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