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sche Republik. Als Retter des Vater-
lands konnte er seine Aktivitäten nun
auf die Innenpolitik konzentrieren.
Unter seiner Führung wurden die alten
Strukturen des feudalistisch-islami-
schen Osmanenreichs revolutioniert.
Kontrolle über die Dardanellen zu-
rückerlangte. Ein weiterer Erfolg der
Annäherung an den Westen war die
Rückgabe der Provinz Hatay durch die
Franzosen 1938; zugleich nahm die
Türkei in den 1930er-Jahren jüdische
Emigranten aus Nazi-Deutschland auf.
Als Atatürk am 10. November 1938
an einer durch Alkohol zerstörten
Leber starb, hatte er einen verlorenen
Weltkrieg doch noch gewonnen und
einen Nationalstaat begründet.
Atatürks Kemalismus
Um die Türkei zu einem modernen
Staat umzubauen, entwickelte er sechs
zentrale Prinzipien des Kemalismus:
Neben Republikanismus, Nationalis-
mus, Populismus (Volksverbundenheit)
und Reformismus (Anschluss an die eu-
ropäische Zivilisation) hatten vor allem
die Grundsätze des Etatismus (staatli-
che Wirtschaftslenkung) und des Lai-
zismus (Trennung von Staat und Reli-
gion) weitreichende Konsequenzen.
Die Abschaffung des Kalifats 1924,
mit der die islamische Welt ihres geisti-
gen Führers beraubt wurde, löste viele,
vor allem von Kurden getragene Auf-
stände in Ostanatolien aus. Deren Nie-
derschlagung legte den Grundstein für
den bis heute andauernden Konflikt.
Mit der Übernahme des Bürgerlichen
Gesetzbuches der Schweiz (1926) an-
stelle der Sharia-Gesetze endete das
Recht zur Mehrehe; fez , die alttürkische
Kopfbedeckung, und Harem wurden
verboten. Den erstmals als Rechtsper-
sönlichkeit anerkannten Frauen emp-
fahl Atatürk wiederholt, den Schleier,
Symbol der alten Ordnung, abzulegen.
Mit der Einführung des gregoriani-
schen Kalenders und der Verlegung des
Ruhetags von Freitag auf Sonntag wur-
den alle islamischen Elemente im öf-
fentlichen Leben ausgelöscht. Auch die
osmanische Schrift wurde zugunsten
lateinischer Schriftzeichen abgeschafft.
Außenpolitisch verfolgte Kemal zu-
nächst eine Anlehnung an die UdSSR.
1936 erreichte er, dass die Türkei die
Kemalismus heute
Inzwischen ist das ideologische Kon-
zept Atatürks ausgehöhlt, auch wenn
die Verfassung den Kemalismus noch
schützt. Der Staat hat sich fast ganz aus
der Wirtschaft zurückgezogen, der Is-
lam erhält als ›Rettungsbewegung‹
wachsenden Zulauf. Geblieben ist ein
ausgeprägter Nationalismus: Atatürks
Diktum Ne mutlu Türküm diyene
(Glücklich ist, wer sich Türke nennt)
skandieren die Schulkinder vor jeder
Unterrichtsstunde. Atatürks Vermächt-
nis wiegt schwer. Wer den Mod-
ernisierer der Türkei modernisieren
könnte, ist leider nicht erkennbar.
Atatürks Credo
»Jeder hat das Recht zu denken,
wie er möchte, zu glauben, was er
will, seine politische Meinung zu
äußern und jede Art von Religion
zu praktizieren oder auch nicht.
Aufgabe des Staates ist es, die
Grenzen der Freiheit zu definie-
ren. Er übernimmt diese Verant-
wortlichkeit mit dem einen Ziel:
private Aktivitäten so zu bündeln,
dass sie den gemeinsamen Zielen
der Nation dienen.«
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