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Ein Dorf zieht sich an einem sanft ab-
fallenden Hang entlang. Idyllisch, so
scheint es von ferne. Doch nähert man
sich, gähnen plötzlich leere Fenster-
höhlen, verwandeln sich die Häuser in
Ruinen ohne Dächer, ohne Türen: Kaya-
köy ist eine Geisterstadt. Über gepflas-
terte Gassen kann man in die am Berg-
hang gelegene Stadt hineinwandern,
etwa bis zur großen Kirche Panayia Pyr-
giotissa (Katopanayia), in der noch Fres-
ken zu erkennen sind. Ein stiller Spa-
ziergang - bedenkt man, wieviele Men-
schen, Familien, Kinder, hier lebten.
lung, also Vertreibung, von ca. 1,3 Mio.
Griechen aus der Türkei. Die Leute von
Livissi z. B. zogen in die Athener Ge-
gend, wo sie den heutigen Vorort Nea
Livissi gründeten.
Danach wurden die alten grie-
chischen Städte türkisiert und umbe-
nannt. Viele kleine Dörfer mit großen
griechischen Bevölkerungsanteilen wa-
ren plötzlich nahezu entvölkert. Nicht
nur, dass ganze Orte und Stadtteile
dem Verfall preisgegeben waren, in
vielen Berufen fehlten nun die Spezia-
listen. Wo es nicht gelang, diese Ver-
luste auszugleichen, mussten die Dör-
fer aufgegeben werden.
Der alte Konflikt zwischen Griechen
und Türken, der 1070 mit der Erobe-
rung Kleinasiens begann und 1453
zum Fall Konstantinopels führte,
schwelt bis heute weiter. Immer wieder
brechen Konflikte zwischen den bei-
den NATO-Partnern auf. Doch seit der
griechischen Zustimmung zur Auf-
nahme von EU-Beitrittsverhandlungen
(1999) finden die beiden Völker immer
näher zueinander - eher privat und
unspektakulär gab es viele Begegnun-
gen zwischen den Nachfahren der
kleinasiatischen Griechen und den Tür-
ken, die heute in den Orten leben.
Auch wenn viele wohl nur einmal se-
hen wollten, wo die Uroma lebte. Eine
bedeutende Sache war hingegen der
Besuch des griechischen Regierungs-
chefs Karamanlis in der Türkei, der
erste seit 1959. Die Türkei braucht die
Hilfe der Griechen für den EU-Beitritt,
während diese eine eindeutige Ver-
besserung der Rechte religiöser Min-
derheiten erwarten.
Der Untergang von Livissi
Bis 1923 noch war das Städtchen Livissi,
das heutige Kayaköy, das auf die an-
tike Stadt Karmylassos zurückgeht, be-
wohnt. Wie in vielen anderen Siedlun-
gen der Küste Kleinasiens lebten hier
Griechen, die auch unter der langen
Herrschaft der türkischen Sultane an
ihren Traditionen, ihrer Kultur und am
orthodoxen Glauben festgehalten hat-
ten. Bis zu seinem Untergang war Li-
vissi der größte Ort der ganzen Region.
Als das Osmanische Reich im Ersten
Weltkrieg zusammenbrach, schien
auch für die griechische Volksgruppe
die Unabhängigkeit zum Greifen nah:
Die Siegermächte hatten die Zerstücke-
lung des Reiches geplant, und im Mai
1919 landete ein griechisches Expediti-
onsheer in Smyrna. Doch es endete in
einem Fiasko. Die Großmächte zogen
sich aus Anatolien zurück, Atatürk ver-
teidigte Ankara in der Schlacht an der
Sakarya und eroberte Smyrna, heute İz-
mir, mitsamt der Westtürkei zurück.
Die ›kleinasiatische Katastrophe‹
Im Friedensvertrag von Lausanne
wurde ganz Kleinasien als türkisches
Nationalgebiet anerkannt und zudem
ein gewaltiger Bevölkerungsaustausch
vereinbart. Das bedeutete die Umsied-
Neues Leben in Kayaköy
Der Tourismus hat neues Leben nach
Kayaköy gebracht - auch hier waren
bereits einige Urenkel der Vertriebe-
nen zu Besuch. Wer durch das alte Li-
 
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