Cryptography Reference
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38.8
Elektronische Wahlen und Online-Wahlen
Elektronische Wahlen ( Electronic Voting ) sind Wahlen, bei denen elektronische
Hilfsmittel für die Stimmabgabe und für das Auszählen der Stimmen genutzt wer-
den. Typisch ist beispielsweise ein Wahlcomputer, der im Wahllokal steht und
Wählerin Alice einen Bildschirm zum Anklicken ihrer Wahlentscheidung zur Ver-
fügung stellt. Online-Wahlen gehen noch einen Schritt weiter: Hier kann Wähle-
rin Alice ihre Stimme sogar vom heimischen PC aus über das Internet abgeben.
Aus Sicht der Kryptografie sind vor allem Online-Wahlen interessant (einen
Überblick gibt es in [Starts]). Diese lassen sich nur mithilfe eines geeigneten kryp-
tografischen Protokolls ( Wahlprotokoll ) sinnvoll durchführen. Die Anforderun-
gen an ein solches Protokoll sind äußerst komplex. So muss ein Wahlprotokoll
gewährleisten, dass das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, dass nur Wahlberechtigte
eine Stimme abgeben können, dass kein Wähler mehrfach wählt und dass Böse-
wicht Mallory keine Stimme verändern kann. Auch Verkehrsflussanalysen und
Denial-of-Service-Attacken können bei einer Online-Wahl durchaus zum Prob-
lem werden.
In den letzten 20 Jahren wurden unzählige Wahlprotokolle (größtenteils in
Form von Konzeptprotokollen) vorgeschlagen. Viele davon bieten neben den
genannten Anforderungen auch einige weitere Besonderheiten. So haben einige
Protokolle die Eigenschaft, dass Alice nach dem Wählen nicht belegen kann, dass
sie eine bestimmte Partei gewählt hat (es nützt daher nichts, Alice mit Gewalt
dazu zu zwingen, ihre Wahlentscheidung offenzulegen). Außerdem ermöglichen
es einige Protokolle, dass man das Wahlergebnis auf zuverlässige Weise prüfen
kann (ein Insider kann dadurch nicht ohne Weiteres Stimmen hinzufügen oder
wegfallen lassen).
Die zahlreichen Diskussionen, die es in den vergangenen Jahren zum Thema
Online-Wahlen gegeben hat, drehten sich allerdings meist nicht um die krypto-
grafische Seite des Themas. Stattdessen stand eher die Frage im Vordergrund, ob
Online-Wahlen generell sinnvoll sind. Manche Experten meinen, dass man sich
bei Wahlen nicht von Maschinen abhängig machen sollte, zumal selbst das beste
kryptografische Protokoll nicht alle Angriffe verhindern kann (man denke nur an
fehlerhafte Clients oder manipulierte Software). Andere befürchten, dass durch
Online-Wahlen wohlhabende und gebildete Bürger bevorzugt werden, da diese
eher einen Computer besitzen und sich im Umgang damit leichter tun. Auf der
anderen Seite sind Online-Wahlen ohne Zweifel bequem für den Bürger und
könnten die Wahlbeteiligung erhöhen. Erste Erfahrungen mit Online-Wahlen gibt
es aus den USA, aus Estland und der Schweiz. Bisher ist noch nicht erkennbar,
wohin die Reise gehen wird.
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