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Ich fragte ihn nach seinem Alter, weil man das unmöglich schätzen konnte. Das hab ich
auch damals schon immer gedacht, wenn ich den Film Der Elefantenmensch gesehen habe.
Er hätte ebenso gut den Rentnersitz im Bus einfordern können wie Kippen kaufen, obwohl
er noch nicht volljährig ist. Der Baba meinte, er sei ungefähr fünfundvierzig, sechsund-
vierzig Jahre alt. Und er behauptete, er sei ganz glücklich mit seinem Schicksal. Er werde
verehrt wie ein Gott und sei stolz, ein Teil von dessen Clan zu sein. Nie im Leben, sagte er,
würde er sich umoperieren lassen.
Ich glaube, irgendwann fühlte sich der Mann neben ihm außen vor und verlangte sei-
nerseits nach Aufmerksamkeit, indem er ganz urplötzlich aufsprang und seinen Schniedel
und Sack um einen Gehstock wickelte und dann damit auf und ab hüpfte. Es sah unfassbar
schmerzhaft aus. Ich fragte ihn, was er damit beabsichtige. Unser Dolmetscher erzählte ir-
gendetwas in die Richtung, dass Sex nicht wichtig für ihn sei und er dies den Menschen
mitteilen wolle, indem er seine Genitalien kaputt machte. Ich wollte von ihm wissen, ob
er womöglich am Stock laufe, weil er dieses Spektakel tagaus, tagein vorführte, aber der
Dolmetscher weigerte sich, die Frage zu übersetzten.
Es war definitiv einer der merkwürdigsten Momente in meinem Leben: in Indien neben
einem Mann mit Elefantenkopf zu sitzen, während sein Kumpel sein Gemächt um einen
Stock geschlungen hatte. Was sagst du dazu, Steve? Wenn das mal nicht meinen Horizont
erweitert hat.
Am Ende habe ich auch noch den einarmigen Mann aus der Zeitschrift gefunden. Er hatte
ein stattliches Publikum um sich geschart, und es sah aus, als wäre er der Ober-Baba, mit
dem man am ehesten abhängen sollte. Ich setzte mich zu ihm und gab ihm zweihundert
Rupien, und er segnete mich und gab mir Asche zu essen. Ich weiß, es klingt abartig, aber
nach drei Currys am Tag war die Portion Asche eine willkommene Abwechslung. Ich frag-
te ihn, wie er auf diese Willensleistungssache mit dem Arm gekommen sei. Der Dolmet-
scher übersetzte mir, dass es nicht seine ureigene Idee gewesen sei - es gebe eine Menge
Babas, die das Gleiche auf einem Bein, mit beiden Armen in der Luft oder sogar mit bei-
den Beinen in der Luft machten. Sie stünden nie auf den eigenen Füßen. Angeblich sei dies
eine Art, seinem Gott näherzukommen und sich darauf zu konzentrieren, was im Leben
wirklich wichtig ist.
Dann stellte ich ein paar Fragen, die der Dolmetscher aber wieder nicht übersetzen wollte,
zum Beispiel ob der Baba Rechtshänder gewesen sei, bevor er diese Sache angefangen ha-
be. Und wie viel er für seine Überzeugung aufgegeben habe. Oder ob er sich noch daran
erinnern könne, was er zuletzt mit seinem Arm getan hatte, bevor er ihn sozusagen abge-
schrieben hat. Aber auch das wollte der Dolmetscher ihn nicht fragen. Ich sagte ihm, dass
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