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MITTWOCH, DEN 3. MÄRZ
Es wurde mir gesagt, dass ich auf dem Kumbh-Mela-Fest nichts aus Leder tragen dürfte,
weil ich sonst keinen Zutritt hätte. Es hat mal wieder mit Kühen zu tun. Ich weiß immer
noch nicht, wer mit dieser Kuhregel angefangen hat.
Auf dem Festival waren eine Menge Babas unterwegs. Babas sind Leute, die kaum etwas
anhaben und deren Körper über und über mit Asche beschmiert sind. Ein paar von ihnen
haben mich gesegnet. Der Dolmetscher meinte, ich sollte jedem von ihnen hundert Rupien
(rund ein Pfund) geben.
Mit einem Baba hab ich sogar ein bisschen Yoga gemacht. Er hat mich ausgelacht, weil
ich nicht annähernd so beweglich war wie er. Wenig überraschend, wenn man bedenkt,
dass er splitterfasernackt war - mal abgesehen von der Sonnenbrille -, während ich eine
Cargohose trug, mit den Taschen voller Bonbons, die ich aus der Erste-Klasse-Lounge am
Flughafen mitgenommen hatte. Mein Dolmetscher sagte, der Baba würde mir noch mehr
zeigen, wenn ich ihm mehr Geld gäbe. Ich konnte mir nicht so recht vorstellen, was dieser
Typ mir noch zeigen wollte, was ich nicht schon hätte sehen können. So wie er sich direkt
vor meinem Gesicht kopfüber verbog und verrenkte, hätte ich seine Prostata untersuchen
können. Stattdessen fragte ich ihn, ob er den einarmigen Baba oder den Elefantenmann
kennen würde. Er wies in die entsprechende Richtung, und ich machte mich auf den Weg.
Unterwegs sprach mich ein weiterer Baba an, der aussah wie Bill Oddie und mich dazu
überreden wollte, mit ihm irgendwas Halluzinogenes zu rauchen, aber ich lehnte ab. Der
Dolmetscher meinte, ich hätte ihn mit meinem Nein beleidigt. Ich fragte Bill Oddie, ob er
den einarmigen Baba kennen würde, und er nickte. Irgendwie kam ich mir vor wie in ei-
ner riesigen Sozialsiedlung, wo jeder jeden kennt - aber eben auch nur per Spitznamen.
In der Siedlung, in der ich aufgewachsen bin, gab es die Stinkige Sandra, Jimmy the Hat,
Schrauber-John, Fred das Gemüse, den Shortsmann, Miss Piggy und Tattoo-Stan (meinen
Onkel).
Am Ende haben wir den Elefantenmann tatsächlich gefunden. Um ehrlich zu sein konnte
ich nicht erkennen, ob er gut drauf war oder nicht, weil sein Gesicht völlig ausdruckslos
war. Außerdem hatte er so etwas wie eine Million kleiner Tumoren auf seinem ganzen Kör-
per. Es klingt vielleicht komisch, aber irgendwie machte er überhaupt keinen merkwürdi-
gen Eindruck auf mich. Womöglich lag es daran, dass ich hier in Indien schon ziemlich vie-
le merkwürdige Dinge gesehen habe. Mal davon abgesehen, hatte der Elefantenmann nicht
sonderlich viel an. Vielleicht hätte er deutlich seltsamer gewirkt, wenn er Jeans, Hemd und
Krawatte getragen hätte. Klingt das logisch? In meinen Ohren ja.
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