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KARL:
Interessant im Sinne von merkwürdig. Ich hab diesen Mann kennengelernt,
Ashek. Ein netter Kerl, ehrlich, und er arbeitet wirklich hart, aber dann lädt er
mich zu sich nach Hause ein, und das war wirklich deprimierend … Kannst du
dich noch an diese Wohnung erinnern, die ich mal hatte? Im Zentrum?
STEPHEN:
Dieses Wohnklo?
KARL:
Genau das. Asheks Haus war kleiner.
STEPHEN:
Donnerwetter! Warum hast du ihm keinen Spiegel geschenkt? Spiegel las-
sen doch kleine Räume größer wirken …
KARL:
Aber dann hätte er ständig das Spiegelbild seines Hühnchengrills vor Augen.
Das wäre ja, als würde er niemals die Arbeit hinter sich lassen können.
STEPHEN:
Ja, aber, Karl, ich hab's dir ja schon mal gesagt: Menschen reisen, weil
Reisen bildet. Weil man seinen Horizont dabei erweitert. Dein Problem ist, dass du
überhaupt kein Gefühl dafür hast. Du kannst mit den Leuten vor Ort nicht mitfüh-
len. Dabei wäre das echt wichtig. Es sollte dir die Augen öffnen. Du solltest neue
Erfahrungen sammeln. Du erlebst diese Länder, wie sie wirklich sind. Nicht jeder
hat es kuschelig, nicht jeder hat es leicht. Wenn du wieder zurück in London bist,
wirst du an diesen Ashek denken und erkennen, dass dein Leben nicht annähernd
so hart ist.
KARL:
Also gut, pass auf. Du kannst mir noch so hochtrabende Vorträge halten, aber
du bist nicht hier. Du hast keine Ahnung, wo ich mich befinde. Du hast keine Ah-
nung, was ich durchmachen muss. Du hast mir eine
SMS
geschrieben und gesagt,
ich soll zu diesem Fest fahren. Weißt du eigentlich, worum es hier geht?
STEPHEN:
Ganz ehrlich, ich beneide dich! Das Kumbh Mela ist das größte spirituelle
Fest auf der ganzen Welt! Es findet nur alle zwölf Jahre statt und nur an dem Ort,
wo du dich gerade aufhältst. Millionen Menschen wandern quer durch Indien, um
daran teilzunehmen.
KARL:
Und das auch nur, weil die Busse komplett hoffnungslos sind!
STEPHEN:
Karl, Leute faszinieren dich, Unterschiede faszinieren dich, das hast du
doch selbst immer behauptet. Auf diesem Fest sind Menschen, die unglaubliche
Ausdauer- und Willensleistungen vollbringen. Typen, die jahrelang ihre Hand aus-
strecken. Leute, die auf Nagelbetten liegen. Die sind doch faszinierend! Du willst
doch wissen, was diese Leute dazu antreibt? Du willst doch verstehen, wie sie ti-
cken? Wir wollen dich nicht zu irgendeinem Glauben bekehren. Wir wollen, dass
du hinausgehst und dich umsiehst und Menschen triffst. Es ist eine wirklich außer-
gewöhnliche Gelegenheit.