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Parkplatz herumstanden, ohne dass irgendwo erkennbar gewesen wäre, wo sie jeweils hin-
fuhren. Ich sprach einen Mann an, der dort arbeitete, und erklärte ihm, wo ich hinwollte. Na
ja, um ehrlich zu sein, wollte ich nichts lieber als nach Hause. Aber ich sagte ihm, ich wäre
unterwegs nach Haridwar. Er führte mich zu einer langen Schlange, hielt aber nicht etwa
an ihrem Ende an, sondern brachte mich ganz nach vorne. Keine Ahnung, was er sich dabei
gedacht hat. Es ist ja schließlich nicht so, als würde ich hier nicht auch so schon genug auf-
fallen mit einem Kamerateam im Schlepptau und von Kopf bis Fuß in buntes Holi-Pulver
getaucht. Und sogar ein Blinder hätte dank meiner quietschenden Sportschuhe mitbekom-
men, dass ich an der Schlange vorbei nach vorne ging.
Dann brach die Hölle los. Eine Gruppe Männer stürzte sich auf mich und beschwerte sich,
dass ich mich vorgedrängelt hätte. Ich konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Ich wäre an
ihrer Stelle genauso verärgert gewesen. Ich versuchte, ihnen verständlich zu machen, dass
ich kein Problem damit hätte, mich hinten anzustellen. Ich hatte es ohnehin nicht eilig, zu
einem religiösen Fest zu kommen, bei dem zwanzig Millionen Menschen erwartet wurden.
Eine äußerst unangenehme Situation, und außerdem hatte der Bus jetzt schon Verspätung,
aber ehrlich gesagt wunderte mich das nicht. Delhi ist wahrscheinlich nach »delay« be-
nannt worden, dem englischen Wort für »Verspätung«.
Dies war ein weiterer Tiefpunkt auf meiner Indienreise. Während ich in der Schlange
wartete, huschte ein Mann die ganze Zeit um meine Füße herum. Ich dachte erst, er wäre
ein Schuhputzer. Aber in Wirklichkeit hatte er keine Beine und schleppte sich über den Bo-
den und bettelte. Dieses Land ist einfach deprimierend. Luke erklärte mir, dass die Inder
angesichts all dieser Behinderungen glauben, dass diese Leute in ihrem vorigen Leben ir-
gendetwas Schlechtes getan haben und dass Gott sie dafür bestrafe, indem er sie mit ein,
zwei Gliedmaßen weniger zurück auf die Erde schickte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt ich endlich meinen Fahrschein in der Hand und klet-
terte in den überfüllten Bus. Der Gang war vollgestopft mit Gepäck. Ich stolperte mit mei-
nem Rucksack voran. Und natürlich war das Glück wie üblich ganz auf meiner Seite. Der
Mann, der sich draußen in der Schlange am meisten aufgeregt hatte, war ebenfalls mit von
der Partie. Er war immer noch ganz rot im Gesicht vor Wut. Und ich war immer noch ganz
rot im Gesicht vom Holi-Fest.
MONTAG, DEN 1. MÄRZ
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