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Ich war genervt. Ich mag keine Menschenmassen, und mit Religion habe ich auch nichts
am Hut.
Ich fragte Luke, wie ich dorthin gelangen würde. Er meinte, ich solle mir eine Rikscha
ranwinken und mich zum Busbahnhof bringen lassen. Und genau das tat ich dann auch. Ich
erwischte eine Motorrikscha. Wir fuhren an diversen Kühen vorbei - nicht etwa auf Wei-
den, wie man erwarten sollte, sondern sie laufen einfach die Straßen entlang, stellen sich
mitten in den Weg und verursachen Verkehrsstaus. Mitten auf einer zweispurigen Fahrbahn
lagen zum Beispiel gleich vier Kühe nebeneinander. Ich fragte den Rikschafahrer, ob vier
Kühe auf einer zweispurigen Straße bedeuteten, dass es Regen geben würde. Er hat mich
nicht verstanden.
In der Nähe des zentralen Busbahnhofs ließ er mich aussteigen. Aber sobald ich von der
Rikscha geklettert war, befand ich mich in einer neuen völlig abgefahrenen Situation. Ein
junger Mann, der über und über mit Blut bespritzt war, hackte gerade Hühnern den Kopf
ab und warf die Körper in einen Eimer, der hin und her wackelte, weil die toten Hühner
immer noch um sich traten. Und auch andere Leute waren über und über mit Blut befleckt,
zumindest sah es auf den ersten Blick so aus - bis ich von einem Einheimischen in seinen
Hof gezerrt wurde, in dem eine Menschenmenge, die von Kopf bis Fuß mit roter, grüner
und gelber Farbe bemalt war, zu den Klängen einer Trommel einen Tanz aufführte. Und
noch bevor ich die Möglichkeit hatte nachzufragen, was das alles zu bedeuten hätte, kippte
mir jemand einen Eimer Wasser über und bewarf mich mit einer Art buntem Pulver. Ich
sah aus wie eine Dulux-Farbpalette.
Scheinbar war ich mitten in einen Feiertag namens Holi Day hineingeraten. Keine Ah-
nung, was das für ein Pulver war, aber es brannte in meinem Hals und in meiner Nase. Und
meine Sportschuhe waren auch im Eimer. Ich wünschte, Luke hätte mich vorgewarnt. Die
Schuhe habe ich erst seit Weihnachten, und normalerweise halten Sportschuhe bei mir un-
gefähr ein Jahr. Um mich herum tanzten Leute im Takt der Trommel, während andere mit
diesem bunten Pulver um sich warfen. Ich glaube ja, ich habe mehr davon abbekommen
als andere, weil ich ein Kamerateam im Schlepptau hatte. Wie schon mal erwähnt, sind die
Leute hier total versessen darauf, gefilmt zu werden. Ich würde mich nicht wundern, wenn
der Typ, der die Hühner geschlachtet hat, nicht mal Schlachter gewesen wäre. Vielleicht
wollte er einfach nur meine Aufmerksamkeit erregen und ins Fernsehen kommen.
Irgendwann schaffte ich es schließlich doch zum Busbahnhof. Ein ziemlich düsterer Ort -
oder vielmehr stockfinster, denn die Betonwände ließen nicht das geringste bisschen Son-
nenlicht herein. Und die Busse waren auch nicht viel besser. Ich habe schon Stockcars ge-
sehen, die in besserem Zustand waren als diese alten Schrottteile, die hier überall auf einem
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