Travel Reference
In-Depth Information
Der Flug startete mit fünf Stunden Verspätung. Ich durfte in der Erste-Klasse-Lounge
warten, daher war es das erste Mal überhaupt, dass ich mich über eine Verspätung freute.
Aber verspätet ist eben auch nur verschoben und nicht aufgehoben. So könnte es sich an-
fühlen, wenn man auf den elektrischen Stuhl muss, aber der Strom vorübergehend ausfällt.
SAMSTAG, DEN 27. FEBRUAR
Wir haben sieben Stunden bis zum Gandhi International Airport gebraucht. Ich bin mir
nicht sicher, was Gandhi davon gehalten hätte, dass ein Flughafen nach ihm benannt wor-
den ist. Immerhin ist ein Flughafen ja nichts so wahnsinnig Besonderes, oder? Ich weiß
nicht allzu viel über Gandhi, nur dass er den Armen geholfen hat, ungefähr so wie in den
80ern Bob Geldof und Lenny Henry. Ich frage mich, ob Gandhi immer noch so beliebt
wäre, wenn er heute leben würde, oder ob nicht längst irgendeine Klatschzeitschrift einen
dunklen Fleck in seiner Vergangenheit gefunden hätte. Luke erzählte mir, dass er sich um
eine Gruppe armer Menschen gekümmert habe, die die »Unberührbaren« genannt wurden
- oder »Dalits«. Diese Menschen wurden hierarchisch niedriger als die Allerniedrigsten
eingestuft, die Scheißefresser sozusagen. Ich frage mich allerdings, ob dieser Ort früher
mit den Scheißefressern nicht vielleicht besser dran gewesen sein könnte, denn heutzuta-
ge strotzt er nur so vor Dreck. Ich nehme mal an, damals, als die Menschen nur Grünzeug
und Fleisch gegessen haben, ist alles entweder von Tieren aufgefressen worden oder eben
verrottet, aber inzwischen gibt es Plastikflaschen und Chipstüten und Styroporverpackun-
gen, und die liegen überall haufenweise herum. Einen Mülleimer hab ich noch nirgends
entdeckt.
In einem Kleinbus mit einem einheimischen Fahrer fuhren wir also in die Innenstadt von
Delhi. Die Geräuschkulisse war ungefähr die gleiche wie in Ägypten und die Verkehrssi-
cherheit ebenfalls. Permanent hupte es. Ich habe keine Ahnung, wozu die Hupen noch gut
sein sollen, wenn sie von jedem gleichzeitig benutzt werden. Man kann ja überhaupt nicht
erkennen, wer genau mit der Hupe gemeint ist. Riesenfamilien quetschten sich in winzige
Autos. Vier Leute ohne Motorradhelme stapelten sich auf einem einzigen Moped. Die Bus-
se waren auch komplett überfüllt. Wie hoch wohl die Wahrscheinlichkeit ist, in einem Land
mit einer Bevölkerung von über einer Milliarde Menschen in der Hauptverkehrszeit einen
Search WWH ::




Custom Search