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SAMSTAG, DEN 19. JUNI
Als ich heute Morgen aufwachte, lag ich immer noch in meinem Zelt und nicht in einem
Topf. Ich hatte ganz gut geschlafen - abgesehen von diesem Spritzgeräusch früh am Mor-
gen, als ein Hund gegen meine Zeltwand pinkelte. Eigentlich hatte ich gedacht, es wäre
wasserdicht. War es aber nicht.
Ich machte einen Rundgang durchs Dorf. Ein Kind führte eine Kröte wie ein Haustier an
einer Leine spazieren. Ein anderes Kind zeigte mir sein Babyfaultier. Es setzte das Faul-
tier immer wieder auf den Boden, wo es versuchte wegzukrabbeln, aber welche Chance auf
Flucht hat wohl eins der langsamsten Tiere der Welt?
Dann beobachtete ich, wie ein paar Einheimische einen Frosch piesackten. Sie hatten
ihn auf vier Stöcke gespannt und rieben mit einem weiteren Stock über seine Drüsen. Der
Frosch schwitzte wie der Teufel. Die Leute fingen den Schweiß auf und ließen den Frosch
anschließend in Ruhe, nur um ihn zu einem späteren Zeitpunkt wieder abreiben zu kön-
nen. Ein Einheimischer namens Eric bekam den Froschschweiß über einen Schnitt in sei-
ner Haut geträufelt, und dann saß er einfach nur da und wartete. Und dann musste er kot-
zen. Die Stammesleute glauben, dass Froschschweiß die Schwächen aus dem menschlichen
Körper schwemmt und für die Jagd aufputscht. Sie benutzen Froschschweiß wie wir Ener-
gydrinks.
Irgendwann kamen die Frauen des Dorfes auf mich zu, zogen mir das Hemd über den
Kopf, malten mich an und zogen mir dann ihre traditionelle Kleidung über. Dann betupften
sie mich mit rötlichen Punkten, sodass ich aussah wie ein Panther. Mit den ganzen Mücken-
stichen brauchte ich allerdings nicht allzu viel Farbe.
Anschließend nahmen mich einige männliche Bewohner mit in den Dschungel und brach-
ten mir bei, mit Pfeil und Bogen zu schießen. Bei ungefähr fünfzehn Versuchen traf ich das
Ziel nicht ein einziges Mal.
Dann kehrten wir in das Dorf zurück. Ich hatte den Eindruck, als hätten die Jungs ange-
sichts meines Bogenschießtalents ein wenig Respekt vor mir eingebüßt, und mein Verdacht
bestätigte sich, als sie alle zur Jagd aufbrachen und mich alleine zurückließen. Nicht dass
es mir viel ausgemacht hätte. Die Vorstellung, irgendetwas zu erschießen, behagt mir nicht
besonders.
Allerdings begann ich mich mangels Beschäftigung recht schnell zu langweilen. Die
Frauen saßen alle beisammen und tratschten.
Ich frage mich, ob es daran liegt, dass sich Faultiere in der Evolution zu derart langsamen
Tieren entwickelt haben. Es gibt einfach keinen Grund, sich schneller zu bewegen, wenn
man an einem Ort lebt, wo nichts dringend erledigt werden muss.
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