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sucht habe, steht ein buntes Sammelsurium an Stühlen im Wartezimmer, die nach und nach
dazugekauft wurden. Das erinnert mich immer an Weihnachten zu Hause, als wir uns von
den Nachbarn Stühle ausleihen mussten, damit jeder am Tisch Platz hatte.
Ich habe mal gehört, dass man die Qualität einer Arztpraxis an der Auswahl ihrer Zeit-
schriften erkennen kann. Die Auswahl in der Harley Street war riesig. Die hatten alle Zeit-
schriften da, die man sich nur wünschen kann - und auch ein paar, die man sich nicht ge-
wünscht hätte. Eine davon war Boyz , ein Schwulenmagazin. Ich war der Einzige im War-
tezimmer, also hab ich mir gedacht, ich blätter mal ein bisschen und schau mir an, was
Schwule gerne lesen. Allerdings gab es in diesem Magazin nicht allzu viel zu lesen. Das
Magazin bestand eher aus einer Aneinanderreihung von Bildern, eins nach dem anderen,
und zwar von halb nackten Männern (untenrum überwiegend nackt), die sich als Mecha-
niker, Landwirte und Klempner verkleidet hatten und ihren Schniedel raushängen ließen.
Ich hab noch nie verstanden, warum schwule Männer sich diese Bilder ansehen. Sie haben
doch einen eigenen Schniedel, den sie angucken können. Außer den Bildern gab es noch
ein paar kürzere Texte, in denen immer irgendein Wortspiel rund um Schniedel und Sack
vorkam. An eins erinnere ich mich noch: Sackoku. Das Rätsel war ein ganz normales Su-
doku, aber in der Überschrift steckte eben dieses Wortspiel.
Sei's drum. Ich hatte also meinen Gesundheits-Check-up. Der Arzt meinte, dass ich für
mein Alter ganz gut in Schuss sei. Es war das erste Mal, dass irgendjemand mein Alter mit
meiner Gesundheit in Verbindung gebracht hat. Irgendwie fühlte ich mich danach ziemlich
alt.
MITTWOCH, DEN 9. DEZEMBER
Um 4.30 Uhr wurde ich abgeholt und zum Flughafen gebracht. Sechs Stunden später waren
wir in Kairo gelandet und unterwegs zu unserem Hotel. Es hatte keiner auch nur mit einer
einzigen Silbe angedeutet, was mich dort erwarten würde, wen ich treffen, was ich essen
oder sehen würde. Ich vermute mal, dass jede einzelne Reiseetappe so ablaufen soll. Und
ich weiß jetzt schon, dass mir das gegen den Strich gehen wird. Ich kann Überraschungen
nicht leiden. Zumindest keine großen. Ein Überraschungsei reicht mir vollkommen.
Das Erste, was mir in Ägypten auffiel, war der Verkehr. Der war einfach nur der Wahn-
sinn. In den 80ern gab es mal eine Girlband namens The Bangles , die einen Hit hatte:
»Walk like an Egyptian« - Gehen wie ein Ägypter. Aber hier geht kein Mensch. Hier fährt
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