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Filmmaterial abnahmen. Also zogen wir weiter zum neueren Teil des Marktes. Hier sahen
die Stände und Auslagen schon viel mehr aus wie daheim - allerdings nur auf den ersten
oberflächlichen Blick. Als ich nämlich genauer hinsah, erkannte ich, dass Insekten verkauft
wurden. Endlose Reihen von Ungeziefer am Spieß. Riesige schwarze Skorpione, Schlan-
gen, Würmer und Heuschrecken - alle sorgfältig aufgereiht, als würden sie vor Noahs Ar-
che Schlange stehen. Diverse Leute hatten mir von chinesischem Street Food erzählt, aber
ich hätte mir nie träumen lassen, dass »Street Food« hieß zu essen, was normalerweise auf
der Straße herumkriecht. Die meisten Tiere waren in irgendein Öl getunkt, damit sie appe-
titlicher wirkten. Eine Eidechse sah allerdings so aus, als hätte sie jemand zerquetscht unter
einem Betonklotz gefunden und ihr dann einfach einen Holzspieß in den Hintern gesteckt.
Allmählich kommt mir der Verdacht, dieser Kinderreim, in dem eine alte Dame eine Fliege
und eine Spinne und einen Vogel verschluckt, könnte in Wahrheit ein chinesisches Volks-
lied sein. Zumindest scheint dieses Getier hierzulande ein Grundnahrungsmittel zu sein.
Unser Fahrer gönnte sich eine kleine Auszeit und ein paar angebrütete Eier als Snack.
Diese Eier sehen widerwärtig aus. Bevor ich hier angekommen bin, habe ich immer be-
hauptet, dass die Chinesen alles essen, was sich bewegt. Inzwischen weiß ich, dass sie so-
gar Dinge essen, die noch nicht einmal den Hauch einer Chance hatten, sich je bewegen zu
können. Warum sie nicht einfach warten, bis die Eier ausgebrütet sind, und dann die fertige
Ente essen, ist mir schleierhaft. Da könnten sie ja genauso gut Entensperma essen, das gin-
ge noch schneller. Ich hab auch mal gehört, dass sie hier hundert Jahre alte Eier essen, aber
ich glaube ehrlich gestanden nicht, dass hier irgendetwas so alt werden kann, ohne vorher
längst verputzt worden zu sein.
Als wir ins Hotel zurückkehrten, aß ich fünf Twix-Riegel und die zweite Tüte Kartoffel-
chips. Ich hätte mehr davon mitnehmen sollen.
MONTAG, DEN 26. APRIL
Ich habe nicht gut geschlafen. Der Türöffner-Summer des Haupteingangs des Hotels be-
findet sich genau neben meiner Zimmertür und klingt wie die Alarmanlage eines Autos.
Außerdem reißen sie vor dem Hotel die Straße auf, was dem Wellensittich auf den Zeiger
gegangen sein muss, denn er hat eine geschlagene halbe Stunde lang ununterbrochen vor
sich hin krakeelt. Ich weiß nicht, wie er das aushält. Es ist lausig kalt dort draußen. Ich hab
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