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oder ob ich das einfach nur annehme, weil zumindest all die Chinesen, denen ich bislang
in meinem Leben begegnet bin, freundlich waren. Was mich noch mehr an dieser »Great
Wall« zweifeln lässt. Ich habe so eine Ahnung, dass die Chinesen sie selbst dann als groß-
artig bezeichnen würden, wenn sie totaler Bockmist wäre. Ich werde es schon bald heraus-
finden.
SAMSTAG, DEN 24. / SONNTAG, DEN 25. APRIL
Der Flug dauerte eine Ewigkeit. Aus dem Fenster konnte ich erst die Sonne, dann den
Mond und dann wieder die Sonne sehen. Allerdings bin ich wirklich froh, dass ich während
des Flugs die Sonne so oft sehen konnte. Es scheint nämlich, als würde ich sie hier in China
nicht allzu oft zu Gesicht bekommen. Die Luft ist einfach zu dreckig. Als wir landeten, war
der Himmel trüb und dunstig und grau. Außerdem war es total kalt. Zuallererst musste ich
meine dicke Jacke aus dem Koffer holen. Dass es auf dieser Reise heiß hergehen wird, ist
wohl eher unwahrscheinlich.
Vom Flughafen aus wurden wir in die Innenstadt von Peking gefahren und irgendwo ab-
gesetzt. Mein Producer, Krish, meinte, von hier aus solle ich mein Hotel selbst finden, in-
dem ich Einheimische nach dem Weg frage. Na klasse! Ich sprach etwa fünfzehn Passan-
ten an, und nicht ein Einziger von ihnen konnte Englisch. Einem alten Mann hielt ich den
Zettel mit dem Hotelnamen hin. Er nahm mich tatsächlich am Arm und setzte sich in Be-
wegung. Zuerst dachte ich, er wüsste, wo das Hotel lag, aber er führte mich nur zu einem
Hocker, drückte mich darauf und fing an, meinen Rücken mit den Fäusten zu bearbeiten.
Er war Masseur. Er war bestimmt schon weit über achtzig, aber seine Hände hatten immer
noch eine enorme Kraft. Ich bin noch nie von so einem alten Menschen berührt worden.
Anderseits - ob er wirklich so alt war? Ich bin immer schon der Ansicht gewesen, dass
Chinesen nicht normal altern. Bis ungefähr fünfunddreißig sehen sie fit und gut aus, und
quasi über Nacht werden sie alt. Ich habe mich irgendwann schon mal mit Ricky darüber
unterhalten. Ich hab ihm damals gesagt, dass sie über Nacht schrumpelig werden, genau
wie Birnen, aber er hat nicht verstanden, was ich damit meinte.
Der Kerl, der meinen Rücken bearbeitete, war möglicherweise also erst achtunddreißig
Jahre alt. Was weiß ich.
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