Travel Reference
In-Depth Information
DONNERSTAG, DEN 8. APRIL
Heute habe ich ein paar Maya kennengelernt. Die Maya haben vor etlichen Jahren das
Weltwunder gebaut. Sie lebten mitten im Nirgendwo in Hütten aus Stroh und Bambusstan-
gen.
Einer dieser Maya hieß Luis, der zwar nicht mehr selbst in diesem Dorf wohnte, dessen
Familie aber immer noch dort lebte. Als ich ankam, war Luis' Onkel gerade dabei aufzu-
brechen, um Honig zu holen, und schlug vor, dass ich und Luis ihn begleiten. Ich dachte,
wir würden einfach zu dem Tante-Emma-Laden um die Ecke gehen, bis ich den langen
Stab mit einer Klinge am Ende sah. Wir würden den Honig also direkt aus einem Wespen-
nest holen.
Was immer diese Leute essen wollen, müssen sie eigenhändig fangen und töten, weil es
hier nämlich gar keinen Tante-Emma-Laden gibt. Luis zeigte mir ein paar Pflanzen, die sie
ernten, und einen Baum, der eine Art Gummimasse produziert, mit der man sich die Zähne
putzen kann.
Als ich mit Luis und seinem Onkel loszog, kamen wir an einem Mann vorbei, der an einer
Mauer neben seiner Hütte lehnte und uns nachsah. Er hatte das fröhlichste Gesicht, das ich
seit Jahren gesehen hatte. Ein jüngerer Kerl war bei ihm und spielte mit einem Stück Gum-
mi. Er sah aus, als wüsste er nicht einmal, was für ein Tag heute war. Andererseits ist der
Wochentag an einem Ort wie diesem wahrscheinlich auch nicht wirklich relevant.
Ich sprach Jamie darauf an. »Diese Art der Abgeschiedenheit hat doch auch ihr Gutes,
meinst du nicht auch? Er war noch nie in seinem Leben in Mexiko-Stadt. Verrückt, oder?«
»Was würdest du denn tun, wenn du hier leben würdest?«, fragte Jamie zurück.
»Keine Ahnung. Jedenfalls nicht einfach nur rumhängen. Ich glaube, ich würde die ganze
Zeit auf den Beinen sein. Bis im Alter von ungefähr sechs ist man ja ständig auf Rutschen
und Schaukeln unterwegs - aber danach hängt man echt nur noch rum. Das ist wie auf
einen Bus zu warten, der niemals kommt. Und ich bin mir nicht sicher, wie ich damit zu-
rechtkommen würde. Den ganzen Tag nur abzuhängen und zu warten. Oder mir die Zähne
mit diesem Zeug zu putzen.«
»Und wenn du das Oberhaupt dieses Dorfes wärst, was würdest du am ehesten ändern?«
»Einen Laden eröffnen«, antwortete ich.
»Was für einen Laden?«
»Ach, so einen Gemischtwarenladen, der einem das Leben erleichtert. Dort gibt es dann
zum Beispiel Zahnpasta. Das wäre doch schon mal ein Anfang, oder nicht? Keine Ahnung.
Vielleicht würde ich auch ein paar neue Leute hier ansiedeln. Ich glaube, das wäre gut.«
»Und wie würdest du die hierherlocken?«
Search WWH ::




Custom Search