Geography Reference
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4.2
Smart cities
L'Enfant beauragt, der sich an den Plänen europäischer abso
lutistischer Barockstädte mit breiten Boulevards, zentralen Ach
sen und repräsentativen Plätzen orientierte. Es dauert allerdings
rund 100 Jahre, bis der Plan mit einigen Veränderungen realisiert
wurde. Die groen Gedenkstätten wie das Lincoln Memorial und
das Jeerson Memorial wurden sogar erst 1927 bzw. 1942 fertig
gestellt (Holzner 1992).
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die MA Washing
ton (2010: 5,6  Mio. Einw.) sehr positiv entwickelt und ist in
wirtschalicher Hinsicht mit ähnlich groen metropolitan areas
vergleichbar. Eine herausragende Bedeutung als global city hat
Washington, D.C., aufgrund der groen institutionellen Dichte
der politischen Akteure. Mit wenigen Ausnahmen haben hier
alle Staaten eine ihrer gröten Botschaen, und die Weltbank
und der Internationale Währungsfond sind nur wenige Blöcke
vom Weien Haus auf der Pennsylvania Avenue angesiedelt.
Darüber hinaus sind mehr als 8000 Nichtregierungsorganisatio
nen (NGOs) unterschiedlicher Gröe und rund 300 inktanks
und Stiungen in Washington, D.C., tätig. Viele der NGOs sind
weltweit über das Internet vernetzt und beschäigen sich mit
internationalen Fragestellungen. In Washington, D.C., selbst
sind die NGOs und die anderen international tätigen Einrich
tungen fast ausschlielich auf den Nordwestsektor der Stadt
konzentriert, wo auch das Weie Haus steht. Dieser Teil der
Stadt sowie der angrenzende suburbane Raum sind zudem
bevorzugter Wohnstandort der überwiegend hoch qualizier
ten Mitarbeiter der internationalen Organisationen aus aller
Welt, wo sie zur gentrication einst verfallener neighborhoods
wie Adams Morgans und zur exorbitanten Steigerung der Bo
denpreise beigetragen haben. Zu den Armen der Stadt in den
Vierteln südlich des Anacostia River gibt es keine Beziehun
gen, obwohl sich viele NGOs mit der Bekämpfung der Armut
in Afrika oder auf anderen fernen Kontinenten beschäigen.
Wie viele andere global cities ist die USamerikanische Haupt
stadt eine stark segregierte Stadt (Gerhard 2003; Gerhard 2007,
S. 171188, 190255).
Neue Kommunikationsmittel und Technologien werden sich wie
andere Innovationen zuvor (z. B. Eisenbahn, Telegrae, Massen
transport) auf die räumliche Organisation der Stadt auswirken
und neue Chancen für die weitere Entwicklung schaen (Harvey
1996, S. 412). In welcher Art und Weise dieses geschehen wird,
ist allerdings umstritten. Stadtgeographen und Planer haben
keine Erfahrungen mit unsichtbaren Strömen, denn ihre Ana
lysen und Planungen waren bis vor Kurzem auf die sichtbare In
frastruktur wie Straen, Eisenbahnlinien, Wasserwege, Brücken
und Bahnhöfe begrenzt. Die Nutzung dieser Verkehrswege lie
sich exakt messen und die Auswirkungen auf das Standortge
füge einer Stadt einigermaen zuverlässig ableiten. Da sich das
Internet und Smartphones in nur wenigen Jahren durchgesetzt
haben und die Kommunikationsströme kaum messbar und
noch schwieriger bewertbar sind, sind konkrete Aussagen fast
unmöglich. Während einige Wissenschaler eine zunehmende
Dezentralisierung prognostizieren, werden die Städte anderen
Experten zufolge einen Bedeutungsgewinn durch den Einsatz
neuer Technologien erfahren. Kotkin und Siegel (2000, S. 27)
glauben, dass der technologische Wandel genauso gravierende
Auswirkungen auf die räumliche Entwicklung haben wird wie
die Industrialisierung im 19.  Jahrhundert. Damals haben die
Eisenbahn und die Massenproduktion groe industrielle Zen
tren entstehen lassen. Heute bewirken die neuen Kommuni
kationsmittel eine Dezentralisierung. Die neuen Arbeitsplätze
entstehen an der Peripherie. Diese Entwicklung bezeichnen die
beiden Autoren als outsidein (S. 2). Da die Standorte frei wähl
bar sind, sind neue Technologien und urban sprawl miteinan
der verknüp. Standorte lassen sich fast beliebig verlagern, da
die Arbeit wahllos an jedem Punkt ausgeführt werden kann. Im
Gegensatz hierzu erwartet Saskia Sassen (2002, S. 40) keine De
zentralisierung durch den Einsatz neuer Technologien, sondern
geht davon aus, dass die alten gewachsenen Zentren ihre Bedeu
tung ausbauen werden. Die Stadtregion wird zwar zunehmend
fragmentiert , aber ein Bedeutungsverlust ist nicht zu erwarten.
Laaser und Soltwedel (2005, S.  72 u. 88) haben eine gröere
Zahl von Studien zu den Auswirkungen der neuen Technolo
gien auf die Städte verglichen und festgestellt, dass die räum
lichen Muster der Old Economy eher von der New Economy
nachgezeichnet als verändert werden. Die Städte haben keine
Nachteile durch die verstärkte Anwendung neuer Technologien
erfahren, sondern konnten ihre zentralörtlichen Funktionen so
gar noch ausbauen. Für Chicago konnte nachgewiesen werden,
dass die Stadt zu Zeiten der Industrialisierung wie auch heute
von der verkehrsgünstigen Lage auf dem nordamerikanischen
Kontinent protiert. Hier liefen einst viele der aus dem Westen
kommenden Eisenbahnlinien zusammen, und über den Hudson
River, den ErieKanal und die Groen Seen war die Stadt mit der
Ostküste verbunden. Heute hat die Eisenbahn zwar sehr viel we
niger Bedeutung als noch in der ersten Häle des 20. Jahrhun
derts, Chicago protiert aber von dem Eisenbahnnetz, denn die
Glasfaserkabel wurden entlang der alten Trassen verlegt. Diese
laufen in der Innenstadt von Chicago zusammen, wo sie in den
früheren Eisenbahntunneln verlegt sind. 1999 wurde in dem
Gebäude, in dem früher der Katalog des Versandhauses Sears
4.1.5
Ausblick
Allen Unterschieden zum Trotz sind New York, Los Angeles,
Chicago und Washington, D.C., durch viele Gemeinsamkeiten
geprägt. Hierzu gehören die enorme Ausdehnung des städti
schen Raums und die fortschreitende Suburbanisierung, die
wirtschaliche Vormachtstellung in den USA und die Heteroge
nität der Bevölkerung. Aber es gibt auch viele Unterschiede wie
die Konzentration des Finanzsektors in New York, der Filmin
dustrie in Los Angeles, der Warenterminbörsen in Chicago und
die groe Dichte politischer Institutionen in Washington, D.C.
Die Globalisierung hat weder die Unterschiede zwischen den
Städten beseitigt, noch zu einer Vereinheitlichung beigetragen
(Mollenkopf 2011, S.  174175). Abschlieend ist zu betonen,
dass nicht nur die groen global cities von der weltweiten Re
strukturierung der Wirtscha betroen sind, sondern alle US
amerikanischen Städte. Auerdem ist der Prozess der Globali
sierung keinesfalls abgeschlossen und die weitere Entwicklung
kaum absehbar.
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