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von General Motors produzierte Busse ersetzte. Aus heutiger
Sicht war die Aktion illegal, aber zum damaligen Zeitpunkt setzte
sich niemand für den Erhalt der Straenbahn ein, die nur an we
nigen Standorten wie in New Orleans erhalten blieb. Gefördert
durch die groen Automobilproduzenten entwickelten sich die
amerikanischen Städte zu autogerechten Städten. Auf der Welt
ausstellung 1939 in New York hat General Motors eine Vision
der Stadt der Zukun mit dem Namen Futurama vorgestellt.
In dem Modell waren Fugänger und Autoverkehr voneinander
getrennt und alle wichtigen Standorte durch ein Netz von Auto
bahnen miteinander verbunden. Jeder Ort sollte in kürzester Zeit
mit dem eigenen Fahrzeug erreicht werden können (Gallagher
2010, S. 73).
Für Jahrzehnte wurde die autogerechte Stadt zum wichtigs
ten Leitbild von Planern und Politikern. Mit staatlicher Unter
stützung wurden innerstädtische Straen und Highways gebaut
und die Zersiedelung und Suburbanisierung gefördert. Vielerorts
haben besonders die Innenstädte unter dem Straenbau leiden
müssen. Es wurden mehrspurige Ringautobahnen angelegt, die
die Stadtzentren von den benachbarten Stadtteilen trennten, oder
Schnellstraen am Ufer von Seen oder Flüssen gebaut, die wie
in Seattle oder San Francisco teils sogar aufgeständert wurden.
Dem Autofahrer bot sich zwar ein guter Blick auf die Gewässer,
aber ein Zugang zu einem erholsamen Ufer war den Städtern
verwehrt. Die Autostadt Detroit wurde wohl mehr als jede an
dere amerikanische Stadt für den Individualverkehr umgebaut,
aber selbst New York war bald von einem Netz aus Highways
durchzogen. Robert Moses war von den 1930erJahren bis 1968
für den Straenbau in New York verantwortlich. Obwohl er nie
einen Führerschein besa, glaubte er bedingungslos an die auto
gerechte Stadt. Unter seiner Leitung realisierte man 13 Brücken
und 670 km Schnellstraen, die in New York parkways heien,
was ihm den Titel highwayman einbrachte (Fitch 1993, S. 68).
Während sich die neueren Städte im Westen und Süden der USA
mit der Anlage der Straen in die Fläche ausgedehnten, wurden
in den älteren Städten an der Ostküste und im Mittleren Westen
viele Baublocks und Wohnungen für den Straenbau abgerissen
(Fitch 1993, New York Times 30.7.1981).
Die kompakte Stadt New York konnte ihre Lebendigkeit trotz
des Baus vieler Straen erhalten, während in kleineren Städten
o die Zentren geopfert wurden, um eine optimale Verkehrs
führung zu erreichen. Im kalifornischen San Bernadino (2010:
210.000 Einw.) wurden an der historische Main Street Ende der
1960erJahre mehrere Gebäude abgerissen, um Platz für ein
gesichtsloses Shopping Center zu schaen. Gleichzeitig erwei
terte man die Parallelstrae, damit der Verkehr besser ieen
konnte. Mehrere Megakomplexe wurden durch geschlossene
Fugängerbrücken verbunden und der Straenraum dem fah
renden und ruhenden Verkehr überlassen. Da es Aktivitäten,
die Menschen zusammenbringen, wie Fugängerverkehr und
kleinteiligen Einzelhandel, auf der Straenebene nicht mehr
gab, erlosch jegliches städtische Leben. Inzwischen erkannte
man die negativen Auswirkungen der Funktionstrennung und
leitete einen Paradigmenwechsel ein. Nicht die autogerechte
Stadt, sondern die lebenswerte Stadt steht im Vordergrund der
stadtplanerischen Überlegungen. Am Rand der Innenstadt von
San Francisco wurde der zweistöckige Embacadero Freeway, der
1989 während eines Erdbebens zusammengebrochen war, nicht
wieder aufgebaut. In Portland, OR, und Boston wurden inner
städtische Stadtautobahnen abgebrochen und unter die Erde ge
legt, und nach langer Diskussion wird derzeit in Seattle der 1953
erönete zweistöckige Alaskan Way (State Route 99), der die In
nenstadt von der Elliott Bay trennt, auf einer Länge von 3,2 km
in einen Tunnel verlegt. Die Fertigstellung ist für 2015 geplant.
Auerdem ergri man viele kleine Manahmen, die die Städte
attraktiver machen. In San Bernadino wurde erkannt, dass der
radikale Umbau der Stadt ein Fehler war, und verwandelte einen
groen Parkplatz in zentraler Lage in einen öentlichen Park, der
sofort gut angenommen wurde und sogar für Hochzeiten genutzt
wird. Gleichzeitig führt man weitere Manahmen zur Attrakti
vitätssteigerung der Innenstadt durch, darunter die Aufwertung
der Bushaltestellen (Gratz und Mintz 1998, S. 114). In New York
wurden der Times Square, der Harold Square und die Wall Street
teilweise für den Verkehr gesperrt. In den Sommermonaten la
den hier heute Stühle zum Verweilen ein.
3.6.1
Nachteile des Individualverkehrs
Angesichts steigender Benzinpreise denken die Amerikaner
zunehmend über die ökonomischen Nachteile des Individual
verkehrs nach. 2009 entelen rund 15 % aller Ausgaben privater
Haushalte auf Transport und Verkehr (Statistical Yearbook 2012,
Table 684). Da in den vergangenen Jahren die Spritkosten stark
gestiegen sind, düre der Anteil heute weit höher sein. Die mitt
lere Zeit, um mit dem privaten Fahrzeug zur Arbeit zu fahren, be
trägt gut 25 Minuten. Jeder Pendler steht jährlich 34 Stunden im
Stau, und überfüllte Straen kosten ihn jährlich 750 USDollar
(Texas Transportation Institute 2011). Staus können aber auch
positiv bewertet werden, denn Autofahrer, die täglich viel Zeit im
Stau verbringen, sind irgendwann so genervt, dass sie in die Nähe
des Arbeitsplatzes ziehen oder sich nach anderen Transportmög
lichkeiten umsehen (Owen 2009, S. 139). Dennoch nutzen seit
1990 unverändert nur rund 5 % öentliche Verkehrsmittel für
den Weg zur Arbeit, benötigen dafür aber knapp 48 Minuten.
In der MA New York nutzen 30,5 % aller Berufstätigen den öf
fentlichen Nahverkehr, und in den MAs Chicago, Washington,
D.C., San Francisco und Boston, die ebenfalls über ein gutes
Nahverkehrsnetz verfügen, jeweils zwischen 11 und 15 %. Da
in sehr dünn besiedelten Stadtregionen die Einrichtung eines
ezienten Nahverkehrs nicht möglich ist, nutzen in Houston
und Atlanta weniger als 5 % der Erwerbstätigen die öentlichen
Verkehrsmittel (McKenzie 2010). In Städten mit einer geringen
Bevölkerungsdichte ist es kaum möglich, Erledigungen zu Fu
zu machen, während in kompakten Städten eine wachsende
Zahl der Menschen die eigenen Beine als Fortbewegungsmittel
nutzt. Im Zentrum New Yorks oder Chicagos gibt es zwar einen
guten öentlichen Nahverkehr, aber es lohnt sich nicht, für die
Überwindung kurzer Distanzen auf Bus oder UBahn zu war
ten. Auerdem gibt es auf den lebendigen Straen dieser Städte
viel zu sehen. Der New Yorker lebt neun Monate länger als der
Durchschnittsamerikaner; möglicherweise weil er häuger als
seine Landsleute den eigenen Bewegungsapparat nutzt (Owen
2009, S. 163168).
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