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den Bau asphaltierter Straen organisatorisch und nanziell durch
die Verabschiedung des Federal Road Act von 1916 und des Federal
Highway Act von 1921, der 75 Mio. USDollar für diese Aufgabe
bereitstellte (Glaeser 2011a, S. 173). Die Einführung des Telefons
in privaten Haushalten ermöglichte es, jederzeit mit Verwandten
oder Freunden an anderen Orten zu kommunizieren (Kotkin
2001, S. 3). Die unkontrollierte Zersiedelung des städtischen Um
lands war nicht mehr aufzuhalten. Auch die Mittelklasse konnte
jetzt den Traum realisieren, ihre Kinder in einer ländlichen Idylle
aufwachsen zu sehen (Muller 2010, S. 319). Gleichzeitig setzte die
völlige Entzauberung der letzten noch vorhandenen utopischen
Ideale ein. Stadtmenschen zogen in Landhäuser im suburbanen
Raum, ohne das gewohnte städtische Leben aufgeben zu wollen.
Immer seltener entwickelten angesehene Architekten und Planer
neue Hausformen oder Grundrisse. Die Vorstädte wurden zu
nehmend zu Kopien bereits vorhandener suburbs, deren äueres
Erscheinungsbild durch die nanziellen Möglichkeiten seiner Be
wohner bestimmt war. Die Wohlhabenden konnten sich in groe
Villen an geschwungenen und baumbestandenen Alleen zurück
ziehen, während sich die Mittelschicht mit kleinen Häusern und
Grundstücken in Siedlungen mit Schachbrettgrundriss begnügen
musste. An unterschiedlichen Standorten entstanden (fast) iden
tische suburbs, und die einstigen utopias wurden zu gesichtslosen
suptopias (Knox 2005, S. 35; Rybczynski 1996, S. 173196).
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurden die ersten staat
lichen Programme zur Förderung des Erwerbs von Eigenhei
men verabschiedet, die aber wenig erfolgreich waren. Groer
Handlungsbedarf bestand erst, als in Folge des Bankencrashs
von 1929 die amerikanische Wirtscha und die Bauindustrie
zusammenbrachen. Zwischen 1928 und 1933 el der Bau von
Wohnhäusern um 95 %. Gleichzeitig sank der Verkaufspreis der
Häuser. Immer mehr Bürger konnten ihre Kredite nicht mehr
bedienen, und die Zahl der Zwangsversteigerungen nahm zu.
1933 unterzeichnete Präsident Roosevelt (19331945) ein Gesetz,
das Eigentümer vor Zwangsversteigerungen schützen sollte, und
ein Jahr später wurde die Federal Housing Administration (FHA)
mit dem Ziel gegründet, die hohe Arbeitslosigkeit abzubauen
und den Hausbau anzukurbeln. Die FHA führte Mechanismen
zur Absicherung von Hypotheken ein, die die nötige Anzahlung
von zuvor rund 50 % auf 10 % des Hauspreises reduzierten. Au
erdem wurden die Laufzeiten der Hypotheken verlängert. Die
monatlich zu zahlenden Raten wurden niedriger, und die Zahl
der Zwangsversteigerungen sank. Da die Raten o unter den
Mietpreisen lagen, war es billiger ein Haus zu bauen als zu mie
ten. Es setzte eine Massenbewegung von Weien in den subur
banen Raum ein, denn nur sie hatten Zugang zu den preiswerten
Hypotheken. Die FHA förderte somit nicht nur die Suburbanisie
rung und die Entleerung der Kernstädte, sondern auch die eth
nische Segregation. Nur in wenigen Ausnahmefällen waren um
1900 erste suburbs für Industriearbeiter und für Bewohner mit
schwarzer Hautfarbe errichtet worden. 1944 verabschiedete die
Regierung den Servicemen's Readjustment Act, der als G. I. Bill of
Rights bekannt wurde und 16 Mio. heimkehrenden Soldaten den
Erwerb eines Hauses ohne Anzahlung ermöglichen sollte (Be
auregard 2006, 7880, 107; Hanlon 2010, S. 315; Jackson 1985,
S. 192206). Gleichzeitig vergröerte sich die Distanz zwischen
Wohnort und Arbeitsplatz. Auerdem ermöglichte es der private
Pkw, einen Arbeitsplatz in einem anderen suburb zu haben. Be
reits 1934 pendelte jeder achte Familienvorstand nicht mehr in
die Kernstadt, sondern in einen anderen suburb (Jackson 1985,
S. 182). Das Automobil hat zweifellos den Bewegungsradius der
Besitzer vergröert. Nachteilig war allerdings, dass die privaten
Fahrzeuge immer mehr Flächen für Straen und zum Parken
benötigten (Glaeser 2011a, S. 177).
2.2.3
Zunehmende Suburbanisierung
In der ersten Häle des 20. Jahrhunderts hat sich das Einfami
lienhaus eindeutig als bevorzugte Wohnform durchgesetzt. Von
den sechs Mio. Wohneinheiten, die zwischen 1922 und 1929 ge
baut worden sind, waren mehr als die Häle Einfamilienhäuser,
die wiederum überwiegend im suburbanen Raum entstanden
(Rybczynski 1996, S.  175) ( . Abb. 2.7 ). In dieser Zeit sind die
suburbs doppelt so schnell gewachsen wie die Kernstädte (Kotkin
2001, S. 3). Nirgendwo scheint der Amerikanische Traum, der
1931 erstmals von Truslow Adams geprägt und deniert wurde,
besser verkörpert zu sein als in den suburbs, in denen jeder in
einem eigenen Haus auf einem groen Grundstück in einer
glücklichen Familie zu leben ho. Der Amerikanische Traum
hat sich tief in das amerikanische Bewusstsein eingegraben und
verkörpert die Suche nach einem besseren und gerechteren Le
ben, in dem jeder gleich ist und alle identische Aufstiegschancen
haben (Beauregard 2006, S. 142; Hanlon 2010, S. 1).
Das neu gegründete Advisory Committee on City Planning
and Zoning in Washington, D.C., verabschiedete 1926 ein Ge
setz, das die Planungshoheit und Kompetenzen der Gemeinden
bei der Flächenausweisung (zoning) sowie die Aufstellung der
Masterpläne, die mit deutschen Flächennutzungs und Bebau
ungsplänen vergleichbar sind, regelte. Auf der Grundlage die
ses Rahmengesetzes erlieen die Einzelstaaten in den folgenden
Jahren ihre eigenen Gesetze zur Verabschiedung von Masterplä
nen. Zoning entwickelte sich zum eektivsten Instrument der
Entwicklung des suburbanen Raumes. Lokale Politiker und Pla
ner berechnen das Verhältnis von Wohnbauächen zu anderen
Nutzungen und können so verlässlich die zukünigen Steuerein
nahmen kalkulieren. Über die Gröe der Baugrundstücke wird
bis zum heutigen Tag Einuss auf die zukünige Sozialstruktur
der Gemeinden genommen. Groe Grundstücke garantierten
den Bau groer und teurer Häuser und hohe Einnahmen aus
den Grundsteuern, die in den USA neben der Verkaufssteuer ei
nen groen Anteil an den kommunalen Steuereinnahmen haben
(Freund 2007, S. 217).
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die steuerliche Ab
schreibung für den Bau von Wohnhäusern, nicht aber für deren
Sanierung erhöht. Es war jetzt o weit günstiger, ein neues Haus
zu bauen, als ein altes zu reparieren. Die Idylle des ländlichen
Raums wurde wiederentdeckt, denn dieser versprach ein sicheres
Leben abseits des Schmutzes und der Gefahren der Grostadt.
Von 1940 bis 1980 stieg die Eigentumsquote von rund 40 % auf
zwei Drittel an; seitdem ist sie stabil. Die neuen Häuser wurden
bevorzugt an der Peripherie gebaut, wo die Bodenpreise niedrig
waren. Das Wachstum kleiner Gemeinden und der Rückzug in
den ländlichen Raum an der äueren Peripherie der metropoli
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