Geography Reference
In-Depth Information
2.1
Phasen der Stadtentwicklung
1
Die amerikanischen Städte sind in unterschiedlichen Phasen ge
gründet worden, die sich in Grund und Aufriss und Funktion
widerspiegeln. Man kann grob unterscheiden zwischen den an
der Ostküste gelegenen Städten, die in der vorindustriellen Zeit
gegründet worden sind, den Städten im Mittleren Westen, die
aufgrund der Industrialisierung binnen weniger Jahrzehnte zu
Grostädten herangewachsen sind, und den Städten im Süden
und Westen des Landes, die teils erst im 20. Jahrhundert gegrün
det wurden und deren intensives Wachstum in der postfordisti
schen Phase stattgefunden hat. In den vergangenen Jahrzehnten
sind alle Städte gleichermaen von globalen Restrukturierungs
prozessen beeinusst worden. Ein Teil der Städte hat inzwischen
die durch die Deindustrialisierung hervorgerufene Krise über
wunden, während in anderen Städten die Zahl der Einwohner
immer noch rückläug ist und kein Ausgleich für den Verlust
der Industriearbeitsplätze geschaen werden konnte. Die Bau
substanz dieser Städte ist durch starke Verfallsprozesse geprägt,
während in den zuerst genannten Städten die Zeichen des Auf
schwungs insbesondere in den Innenstädten deutlich sichtbar
sind.
2
2.1.1
Vorindustrielle Städte
Die frühen Städte Nordamerikas sind nach dem Vorbild europäi
scher Städte errichtet worden, spiegeln aber die Ideale und Ideen
der unterschiedlichen Einwanderergruppen, die den nordameri
kanischen Kontinent besiedelt haben, wider. Die Spanier haben
Städte mit einem quadratischen Platz und die Briten mit einem
Anger angelegt, die bis heute im Zentrum von Santa Fé oder Bos
ton überdauert haben. Andere Städte wie New York erhielten in
der Anfangsphase einen unregelmäigen Grundriss, der noch
immer die Straenzüge südlich der Wall Street prägt. Im 17. Jahr
hundert wurden die ersten Städte im Schachbrettgrundriss an
gelegt, der sich bald ächendeckend durchsetzte, da er schnell
umzusetzen war. Auerdem erleichterte er den Erwerb oder
Verkauf von Grundstücken an nicht anwesende Investoren oder
zukünige Siedler. Bevorzugte Standorte der frühen Siedlungen
waren Buchten oder Flussmündungen an der Ostküste, die einen
Zugang zum Hinterland garantierten, oder im Binnenland die
Ufer von Flüssen oder Seen, die als Verkehrsweg und Lieferant
für das im Produktionsprozess benötigte Wasser dienten. An den
Ufern entstanden Lagerhäuser, Mühlen, Umschlageinrichtungen
und in der Nähe die Wohnungen für die Hafenarbeiter sowie
Viertel mit Handwerkern, Gewerbetreibenden, Kneipen und
anderen Amüsierbetrieben. Der Schachbrettgrundriss wurde
auch dann konsequent eingehalten, wenn er aus Gründen der
Topographie eigentlich völlig ungeeignet war. Die steilen Hügel
der Stadt San Francisco mit ihren in der Falllinie verlaufenden
Straen stellen für Fugänger und den Straenverkehr eine groe
Herausforderung dar (Cullingworth und Caves 2008, S. 5253;
Muller 2010, S. 304313) ( . Abb. 2.1 ).
Der amerikanischen Gesellscha liegt der Glaube an ein ka
pitalistisches Wirtschassystem und eine liberale Sozialphiloso
phie zugrunde. Der feste Glaube an die Freiheit des Einzelnen, an
. Abb. 2.1 San Francisco
Chancengleichheit und das ungehinderte Streben nach Gewinn
haben sich in vielfältiger Weise auf die Vision und Realität der
nordamerikanischen Stadt ausgewirkt. Erfolgreiche Geschäs
leute, wohlhabende Grundstücksbesitzer und andere gut situierte
Bürger haben die Geschicke und öentlichen Angelegenheiten
einer Stadt bestimmt. Man glaubte, dass eine Stadt wie ein Wirt
schasunternehmen zu führen sei und ein erfolgreiches Handeln
allen dienen würde. Dem Erwerb von Land wurde groe Be
deutung beigemessen, da dieses bestens als Spekulationsobjekt
geeignet war. Land wurde zu einer Ware und erönete die Mög
lichkeit, den persönlichen Besitz zu vergröern. Die Eigentümer
der Grundstücke konnten fast uneingeschränkt über deren Nut
zung entscheiden; Ausnahmen gab es nur bei Gefährdung der
öentlichen Ordnung und Sicherheit. Die Grundstücke waren
am teuersten in den zentralen Bereichen der Stadt, und die Preise
sanken mit wachsendender Entfernung zum Zentrum. Zwei bis
viergeschossige Häuserzeilen, über die nur die Kirchtürme oder
die Masten der im Hafen liegenden Segelschie emporragten,
prägten das Stadtbild. Als sich die Städte ausdehnten, entstan
den räumlich dierenzierte Nutzungen und bildeten sich Viertel.
Einzelhandel, Handwerk, Banken oder andere Funktionen kon
zentrierten sich in bestimmten Teilbereichen der Stadt (Muller
2010, S. 304307; SchneiderSliwa 2005, S. 62, 75).
Obwohl das Leben in der Stadt viele Vorteile bot, stellte sich
schon früh eine antiurbane Haltung ein. Präsident omas Jef
ferson (18011809) beschrieb groe Städte als die Gesundheit,
Moral und Freiheit des Menschen gefährdend (Brief an Benjamin
 
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