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Über Jahrzehnte haben die Modelle der Chicagoer Schule
groe Beachtung erfahren, da sie die ersten und lange einzigen
Modelle zur räumlichen Organisation der Stadt waren. Dieses
gilt insbesondere für das Modell der konzentrischen Ringe von
Burgess. Allerdings wurde häug übersehen, dass bereits Wirth
(1925) darauf aufmerksam gemacht hat, dass sich die Städte in
den kommenden Jahren angesichts neuer Möglichkeiten der
Kommunikation verändern und somit auch das Verhältnis von
Zentrum und Peripherie wandeln würde (Dear 2005, S. 35). Erst
als sich seit Ende der 1980erJahre in Los Angeles eine neue
School of Urbanism (s. u.) bildete, stellte man die Modelle der
Chicagoer Schule zunehmend infrage. Es wurde kritisiert, dass
das Modell von Burgess sehr allgemein sei und sich fast aus
schlielich mit dem Stadtzentrum beschäige, keine Gründe für
die Verlagerung der Bevölkerung nenne und die Standorte der
Industrie nicht berücksichtige. Auerdem gelte es nur für sehr
schnell wachsende Städte in Industrieländern mit einer homo
genen Oberäche (Hise 2002, S. 99; Erie und MacKenzie 2011,
S. 111).
waren und die Gesetze des Bodenmarktes kannten. Aber erst
rund 20 Jahre später wurden in Anlehnung an die räumlichen
Strukturen der Stadt Los Angeles von einer locker miteinander
verbundenen Gruppe von Wissenschalern die postmoderne
Entwicklung der Stadt diskutiert und bestehende theoretische
Ansätze weiterentwickelt. Viele der Arbeiten zu Los Angeles sind
Ende der 1980er und in den 1990erJahren entstanden, als sich
die Region aufgrund der Schlieung von Militärstützpunkten
und des Zusammenbruchs der Lu und Raumfahrt im südli
chen Kalifornien in der Rezession befand. Auerdem zählten
die Rassenunruhen der frühen 1990erJahre zu den gröten
Ausschreitungen der USamerikanischen Geschichte (Erie und
MacKenzie 2011, S. 126). Der Ansatz der Los Angeles School of
Urbanism ist allerdings umstritten, und gleichzeitig ist eine Dis
kussion um die Chicago School of Urbanism und deren Weiterent
wicklung entbrannt, die jetzt als New Chicago School oder auch
Chicago NotYetaSchool of Urban Politics bezeichnet wird (Clark
2011, S. 221). Da die Publikationen zu den genannten Schulen
inzwischen ganze Regalwände einnehmen, können an dieser
Stelle nur die wichtigsten Aussagen wiedergegeben werden. Das
gilt auch für die umfangreiche Kritik an den einzelnen Schulen.
Los Angeles gilt als postmoderne Stadt par excellence (Caves
2005, S. 93). Für den Begri postmodern gibt es eine Vielzahl
von unterschiedlichen Denitionen, er steht aber immer für einen
radikalen Bruch mit allem Vorausgegangenen, d. h. für eine Dis
kontinuität zwischen Vergangenheit und Gegenwart (Dear und
Dahmann 2011, S. 68). Die Westküstenmetropole unterscheidet
sich in vielerlei Hinsicht von Chicago und anderen Städten der
amerikanischen Ostküste und des Mittleren Westens. Das gilt für
die geringe Bevölkerungsdichte, die Zersiedelung und Fragmen
tierung, die groe Zahl der sekundären Downtowns und den da
mit verbundenen dezentralen Auau der Stadt, den inzwischen
ausschlielich privat organisierten Bau neuer neighborhoods, die
groe ethnische Vielfalt der Bevölkerung und die zahlreichen
ethnisch geprägten Viertel sowie die festungsartigen Megakom
plexe und zahlreichen künstlichen emenwelten. Beim Anug
auf Los Angeles sieht man nicht nur eine fast endlose Stadtland
scha, sondern hat auch Probleme, die alte Downtown eindeu
tig zu identizieren, da es mehrere weitere Zentren wie das von
Hollywood oder MidWilshire gibt, die sich durch ähnlich viele
Hochhäuser wie das historische Zentrum von Los Angeles von
der Umgebung absetzen. Garreau (1991, S. 431432) hatte in der
MA Los Angeles 16 voll entwickelte edge cities und acht weitere,
die auf dem Weg zur edge city waren, ausgemacht. Auch wenn
Lang (2003, S. 136) aufgrund seiner empirischen Untersuchun
gen nur sechs edge cities eindeutig identizieren konnte, wird die
groe Zahl von mehr oder weniger gleichberechtigten Zentren in
der Region deutlich. Ein weiteres Charakteristikum der Region
sind neighborhoods, die durch private Interessenverbände orga
nisiert sind und privatopias darstellen. In Greater Los Angeles
gibt es mehr als 11.000 CIDs mit knapp 1,7 Mio. Haushalten. Der
Anteil der privat verwalteten neighborhoods wird in den nächsten
Jahren weiter ansteigen, denn derzeit sind ausnahmslos alle in
Planung oder im Bau bendlichen neighborhoods in der Form
von CIDs organisiert (Community Association Institute 2013).
In kaum einer anderen Stadt der USA ist die ethnische Vielfalt
so gro wie in Los Angeles. Fast 50 % der Bevölkerung sind his
5.1.2
Los Angeles School of Urbanism
Los Angeles ist unumstrittenen der wichtigste Standort der west
lichen Filmindustrie und Wohnort bekannter Stars und Stern
chen. Darüber hinaus hat die Stadt ein eher schlechtes Image,
denn sie verkörpert die zersiedelte Stadtlandscha schlecht
hin und ist für eine äuerst hohe Luverschmutzung bekannt
( . Abb. 5.2 ). Allerdings ist die Metropole am Pazik besser als
ihr Ruf. In Houston, Dallas, Atlanta und in San Jose ist die Be
völkerungsdichte weit geringer, und tatsächlich ist das in einem
Talkessel gelegene Salt Lake City in Utah in neuerer Zeit durch
weit schlechtere Luwerte aufgefallen. Wahrscheinlich bedingt
durch den höheren Bekanntheitsgrad oder die vielen Universi
täten in Los Angeles mit engagierten Geographen, wurde in die
ser Stadt unter besonderer Berücksichtigung des fragmentierten
Siedlungskörpers eine neue School of Urbanism proklamiert, die
dem altbekannten Modell der Chicago School gegenübersteht.
Bereits 1959 hatte Grey die wichtigsten Charakteristika von
Los Angeles wie die geringe Bevölkerungsdichte, die Dezentrali
sierung von Wohnen und Dienstleistungen, die ethnische Polari
sierung, die groe Bedeutung des Automobils und die politische
Fragmentierung beschrieben und durch das erst spät einsetzende
Wachstum erklärt. Da sich Los Angeles in vielfacher Hinsicht von
den Ostküstenstädten und sogar von San Francisco unterschied,
bezeichnete er die Stadt als neuen urban prototype. Noch exak
ter schrieb Fogelson (1967, S. 2): Los Angeles succumbed to the
disintegrative though not altogether undesirable, forces of suburba
nization and progressivism. And as a result it emerged by 1930 as
the fragmented metropolis, the archetype, for better or worse, of the
contemporary American metropolis. An anderer Stelle vergleicht
er Los Angeles mit Chicago: It was not like Chicago a typical
concentrated metropolis inhabited largely by impoverished and
insecure European immigrants (Fogelson 1967, S. 144). Die ar
men Einwanderer in Chicago mussten eng zusammengepfercht
in der Nähe der Arbeitsplätze leben, während die Bürger von Los
Angeles selbst in der Anfangsphase der Stadt relativ wohlhabend
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