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5.1
Los Angeles. Der neue Prototyp
der nordamerikanischen Stadt?
Grundstücke auf und gründete hier 1914 die Stadt Beverly Hills,
die sich schnell zum bevorzugten Wohnstandort der Reichen
und Superreichen entwickelte. Gleichzeitig konzentrierten sich
die Arbeiter und sozial Schwachen in den Stadtvierteln zwischen
der Innenstadt von Los Angeles und den südwestlich gelegenen
Häfen (Jackson 1985, S. 179; Kotkin 2001, S. 4).
Los Angeles County und das südliche angrenzende Orange
County bilden gemeinsam die MA Los Angeles, die auch als
Greater Los Angeles bezeichnet wird. Auf knapp 10.600 km 2
leben hier heute fast 13 Mio. Menschen. Los Angeles County
ist in 88 selbstständige Gemeinden wie die Städte Los Angeles,
Santa Monica, Inglewood, Pasadena und Long Beach sowie wei
tere rund 140 unselbstständige Gemeinden untergliedert und ist
mit knapp 10 Mio. Einwohnern das bevölkerungsreichste county
der USA. Das kleinere Orange County mit den Städten Anaheim
und Irvine ist ähnlich fragmentiert. Die Los Angeles combined
statistical area (CSA) umfasst auerdem Ventura, San Bernar
dino und Riverside County, die teils sehr dünn besiedelt sind.
In der CSA leben rund 18 Mio. Menschen oder knapp die Häle
aller Kalifornier in 177 Städten, von denen allein seit den späten
1970erJahren rund 30 neu ausgewiesen wurden. Mit den neuen
Gemeinden wurden omals bewusst homogene politische Ein
heiten geschaen, um so eine Trennung von us (uns) und them
(euch) vorzunehmen. Die Region wird zusätzlich von einem Netz
von mehr als 1000 Behörden für besondere Aufgaben überlagert.
Die einzelnen Zuständigkeiten sind von den Bürgern kaum zu
durchschauen und gelten daher als undemokratisch. Gleichzeitig
ist die Stadtregion kaum regierbar (Dear und Dahmann 2011,
S. 7275; Judd 2011, S. 9;   www.census.gov ).
Die Zahl der Einwohner von Los Angeles hat sich von 1880
bis 1900 von nur 11.200 auf 102.000 fast verzehnfacht, und es
wurde schon früh mit Bauland spekuliert (Jackson 1985, S. 178).
Während die Städte der Ostküste und des Mittleren Westens
ihre Hauptentwicklungsphase zu Zeiten der Industrialisierung
hatten, fand der Aufstieg von Los Angeles erst in der postfor
distischen Phase statt. Die Bevölkerung von Los Angeles war
lange weit homogener als die der Städte an der Ostküste und
des Mittleren Westens. Noch um 1980 waren weniger als 15 %
der Bewohner im Ausland geboren und weniger als 20 % nicht
weier Hautfarbe. Erst in den folgenden Jahrzehnten setzte ein
schneller Wandel ein. Die Weien stellen heute nur noch knapp
die Häle der Bevölkerung der Stadt, und mehr als 40 % der An
gelenos sind im Ausland geboren. Gleichzeitig ist der Anteil von
hispanics und Asiaten rapide angestiegen (Erie und MacKenzie
2011, S. 105106, 121;   www.census.gov ). Der legale und illegale
Zuzug der überwiegend schlecht ausgebildeten Einwanderer aus
Mexiko und den mittelamerikanischen Staaten stellt einerseits
ein groes Problem für die Stadt dar, garantiert aber andererseits
ein groes Heer preiswerter Arbeitskräe.
Die Städte an der Ostküste und im Mittleren Westen wur
den vergleichsweise kompakt angelegt, da ihre Hauptwachstums
phase vor der Erndung des Automobils stattgefunden hat, wäh
rend Los Angeles mit dem Individualverkehr gewachsen ist und
als autogerechte Stadt konzipiert wurde. Im Umland hatte die
Zersiedelung Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt, als an vielen
Standorten Erdöl gefunden wurde und industriell geprägte sub
urbs entstanden (Jackson 1985, S. 179). Da man früh erkannte,
dass die enge Verzahnung der emissionsreichen Industrie mit der
Wohnfunktion eine groe Belastung für die Bevölkerung dar
stellte, verabschiedete die Stadt Los Angeles 1908 die Residence
District Ordinance, die eine konsequente Trennung unterschiedli
cher Nutzungen vorsah und jede Nutzungsmischung ausschloss.
An Wohnstandorten duren keinerlei Industrie oder Gewerbe
und noch nicht einmal von Chinesen geführte Wäschereien oder
Einzelhandel entstehen. Da die Ordinance auerdem eine sehr
geringe Bebauungsdichte vorschrieb, war es kaum möglich, das
tägliche Leben ohne ein eigenes Fahrzeug zu organisieren. Los
Angeles bestand bald überwiegend aus Einfamilienhäusern, die
um kleinere Zentren angeordnet waren, die zunächst mit der Ei
senbahn und später durch Highways miteinander verbunden wa
ren. 1915 wurde das San Fernando Valley eingemeindet, das sich
östlich der bis zu gut 500 m hohen Santa Monica Mountains in
einem Talkessel bendet. Familien der Mittel und Oberschicht
erhielten so die Gelegenheit, in Nachbarschaen mit einem ge
hobenen suburbanen Charakter fernab jeder Industrie zu ziehen.
1930 waren 93 % aller Wohnhäuser in Los Angeles Einfamilien
häuser, ihr Anteil war damit fast doppelt so hoch wie in Chicago.
Eine Besonderheit stellt die Enklave Beverly Hills dar, die an allen
Seiten von der Stadt Los Angeles umgeben ist. Um die Jahrhun
dertwende hatte die Amalgamated Oil Company in der Honung
auf Ölfunde hier groe Flächen gekau. Als sich die Erwartun
gen nicht realisierten, teilten die Investoren ein 13 km 2 groes
Gelände nördlich des Santa Monica Boulevards in grozügige
5.1.1
Chicago School
Da die drei klassischen Modelle der Chicagoer Schule seit Jahr
zehnten fester Bestandteil jedes Lehrbuchs der Stadtgeographie
sind (Carter 1980, S. 205213; Heineberg 2006, S. 109117), wer
den an dieser Stelle nur die wichtigsten Ideen zusammengefasst.
Die Modelle wurden in Chicago entwickelt, weil die Stadt im
19. Jahrhundert aufgrund hoher Einwandererzahlen so schnell
wie keine andere gewachsen ist und weil 1892 an der University
of Chicago der erste Lehrstuhl für Soziologie in den USA einge
richtet worden war. Die Soziologen Park, Burgess und McKenzie
verstanden die Stadtentwicklung als sozioökologischen Prozess
und veröentlichten 1925 den Sammelband e City, der als
erster systematischer Versuch gilt, die Gründe und Ursachen
der Urbanisierung zu erklären. Im Mittelpunkt des Interesses
der Soziologen standen die möglichen Gefahren des schnellen
Stadtwachstums und der Einuss europäischer Einwanderer, die
zur damaligen Zeit hauptsächlich aus Polen und anderen osteu
ropäischen Ländern nach Chicago kamen, auf die bestehenden
Strukturen. Empirische Untersuchungen hatten Regelhaigkei
ten der räumlichen Ordnung der Stadt festgestellt, die Burgess
(1925, S. 4762) in seinem Modell der konzentrischen Ringe zu
sammenfasste ( . Abb. 5.1 ). Die Einwanderer zogen zunächst in
Viertel mit einer schlechten und daher preiswerten Bausubstanz
in der Nähe des Stadtzentrums, das in Chicago als loop bezeich
net wird. In einem konzentrischen Ring um den loop entstand die
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