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gerne an Subunternehmen ausgelagert werden. Die Sicherheits
kräe übernehmen ein weites Feld von Aufgaben wie den Per
sonenschutz oder die Bewachung von Transporten, öentlichen
Plätzen, Einkaufszentren oder Bürogebäuden. Auch die Türste
her in Restaurants oder Geschäen sowie die Pförtner in gated
communities werden von privaten Sicherheitsrmen gestellt. Die
Schätzungen zu dem jährlichen Umsatz der Sicherheitsindustrie
variieren zwischen 19 bis 34,5 Mrd. USDollar. Auerdem gibt es
883.000 Sicherheitskräe im öentlichen Dienst, die im Idealfall
mit den privaten Diensten kooperieren sollten (U.S. Department
of Justice 2009). Bei nur leicht abweichendem Verhalten von der
Norm erfolgt schnell ein Platzverweis von öentlichen Räumen
durch Sicherheitskräe. Bei einer Exkursion mit 20 Studierenden
nach Chicago im Jahr 2011 unter der Leitung der Verfasserin
verging kaum ein Tag, an dem wir nicht teils mehrfach mehr
oder weniger freundlich zum sofortigen Verlassen unseres ver
meintlich öentlichen Standorts aufgefordert wurden, da Grup
pen (von verdächtig aussehenden Jugendlichen?) unerwünscht
waren. Was bei einer Exkursion allenfalls ärgerlich ist, ist für
die zahlreichen Obdachlosen ein echtes Problem, denn für sie
bleiben nur die schmuddeligen Ecken der Stadt. Gleichzeitig
verschanzen sich immer mehr Menschen in gated communities,
schicken ihre Kinder in private Schulen und verbringen ihre
Freizeit in privaten Golf und Tennisclubs oder sogar in nicht
öentlich zugänglichen Skigebieten (Frank 2007, S. 3480). Für
die Probleme der weniger Begüterten interessieren sie sich selten.
Die USA haben sich zu einer Zweiklassengesellscha entwickelt,
was sich in auch in räumlicher Hinsicht niederschlägt. Die Wohl
habenden entscheiden darüber, in welcher Weise und von wem
Räume genutzt werden dürfen, während die sozial Schwachen
allenfalls geduldet oder sogar ganz ausgeschlossen werden (Har
vey 2003, S. 32). Es gibt seit Jahren eine öentliche Debatte zu
der Frage, wem die Stadt gehört und ob es moralisch vertretbar
sei, bestimmte Gruppen der Bevölkerung systematisch aus dem
öentlichen Raum oder bestimmten neighborhoods zu verbannen
(Davis 1992a, 2001; Harvey 2003; Mitchell 2003). Viele Einhei
mische insbesondere in Los Angeles und New York ärgern sich
zudem über die häugen Absperrungen des öentlichen Raums
für Filmaufnahmen ( . Abb. 4.41 ). Für die Städte ist die zeitweise
Vermietung des öentlichen Raums ein gutes Geschä, aber den
Anwohnern wird tagelang der Zugang zu Parks und anderen lo
cations verwehrt (Sorkin 2009, S. 114).
Der Individualverkehr hat die nordamerikanische Stadt
binnen weniger Jahrzehnte grundlegend verändert. Dem ie
enden und ruhenden Verkehr wurde ein gröerer Stellenwert
beigemessen als dem Fugänger. In vielen Innenstädten nehmen
Parkhäuser und Parkplätze mehr Flächen ein als Gebäude, und
Autobahnen isolieren die Innenstädte von angrenzenden Vier
teln, die neighborhoods sind von Straen umgeben, die zu Fu
kaum überwunden werden können, und in den neighborhoods
fehlen Gehwege, die zu einem Spaziergang einladen könnten. Ga
ragentore haben die Eingangstüren privater Wohnhäuser ersetzt,
und öentliche Gebäude werden nicht mehr durch repräsenta
tive Eingänge oder gar über Freitreppen betreten, sondern durch
Aufzüge, die den Besucher von den Tiefgaragen auf direktem
Weg in die angestrebte Etage bringen. Auerhalb der Innenstädte
liegen Shopping Center, oce parcs und frei stehende Geschäe,
Banken und Bürogebäude wie Inseln in einem See von Parkplät
zen. Die Menschen nutzen die Städte nicht mehr als Fugänger,
sondern nicken sich allenfalls noch aus dem Auto zu. Informelle
Kontakte sind äuerst selten geworden (Gratz und Mintz 1998,
S. 3334). Auf den traditionellen Geschässtraen der Innen
städte war niemand ausgeschlossen worden. Hier begegneten
sich alle Ethnien und Angehörige unterschiedlicher sozioöko
nomischer Gruppen ohne jegliche Einschränkungen.
4.8.1
Shopping Center
1956 wurde mit der Erönung des ersten überdachten und kli
matisierten Shopping Centers Southdale in der Nähe von Minne
apolis eine Wende eingeleitet. Das von dem deutschstämmigen
Architekten Viktor Gruen konzipierte Shopping Center sollte
nicht nur ein Geschäszentrum, sondern darüber hinaus ein
Erlebnisraum für die Bevölkerung von Minneapolis sein. In dem
von einem Glasdach überspannten Atrium blühten ganzjährig
Blumen, und regelmäig fanden hier Konzerte und andere Veran
staltungen statt (Gruen 1973, S. 22 f.). Gruen düre nicht geahnt
haben, welche Entwicklung er mit diesem Konzept eingeleitet
hat. Southdale war ein groer Erfolg, und bald wurden im ganzen
Land ähnliche Shopping Center gebaut, die immer mehr Funkti
onen wie ein groes gastronomisches Angebot, Dienstleistungen
aller Art von der Post über den Zahnarzt bis zum Steuerberater,
Kinos und andere Freizeiteinrichtungen ausübten. Ein Leben
ohne Shopping Center ist für die Mehrzahl der Amerikaner
schon lange nicht mehr vorstellbar. Teenager verbringen einen
groen Teil ihrer Freizeit hier, und ältere Menschen treen sich
schon vor der Önung der Geschäe zum morgendlichen mall
walking (Kowinski 1985). Im suburbanen Raum gibt es heute o
keine Alternative mehr zu Shopping Centern, auch wenn längst
nicht alle überdacht und klimatisiert sind. In den Innenstädten
haben sie sich ebenfalls durchgesetzt und nicht selten ein Ausblu
ten der traditionellen Einkaufsstraen verursacht. Die Shopping
Center versuchen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wie
Lichteinfall, groen Spiegeln, Baumgruppen, Springbrunnen und
der ständigen Bewegung der vertikalen Beförderungsmittel das
bunte Treiben eines städtischen Lebens zu kopieren. Es ist aber
nur eine Imitation des realen städtischen Lebens. Im Vorder
grund steht immer die Steigerung des Umsatzes. Nichts geschieht
spontan, alles ist geplant. Gleichzeitig werden alle negativen Er
scheinungen des wirklichen Lebens ausgesperrt. Hierzu gehören
nicht nur die aktuelle Witterung und der Straenverkehr, son
dern auch bestimmte Gruppen der Bevölkerung. Obdachlose, är
mer wirkende alte Leute und gröere Gruppen von Jugendlichen
werden in der Regel höich, aber bestimmt vor die Tür gewiesen.
Nichts und niemand soll die kauräige Kundscha davon ab
halten, ungestört Geld auszugeben. In jedem Shopping Center
weist ein Aushang darauf hin, dass dieses unter privatem Ma
nagement steht und Besucher die Hausregeln einhalten müssen.
Diese verbieten ein bestimmtes Verhalten, das in den Straen
zwar nicht immer gerne gesehen, aber toleriert wird. In Shop
ping Centern ist es üblicherweise verboten, sich auf den Boden
zu setzen oder sich in irgendeiner Weise auällig zu benehmen.
Die Einhaltung der Hausregeln wird von Videokameras und pri
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