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werden. Ein Ende des Prozesses ist nicht absehbar (Lees 2003).
An anderen Standorten haben Homosexuelle die gentrication
eingeleitet, da sie schon früh in die Zentren der Städte zogen,
um den durch Familien geprägten suburbs zu entiehen (Lees
et al. 2008, S. 234). In San Francisco haben in den 1960er und
1970er Jahren Homosexuelle den Arbeiterstadtteil e Castro
gentriziert und zu einem Symbol entwickelt ( . Abb. 4.39 ). An
dere neighborhoods, in denen Homosexualität, Bisexualität und
Transsexualität sehr oen zur Schau gestellt werden, sind das
New Yorker West Village und Miami South Beach. In dem eben
falls im Zentrum von San Francisco gelegenen HaightAshbury
waren Hippies an der gentrication beteiligt. Aus der Protestbe
wegung während des Vietnamkriegs (19641973) hatte sich eine
Gegenkultur entwickelt. Während viele Menschen auf dem Land
oder im suburbanen Raum ein besseres Leben suchten, zogen an
dere in die Städte, um einen neuen Lebensstil zu entwickeln. San
Francisco hatte für Hippies den gröten Reiz. Auch heute gibt
es in HaightAshbury noch Läden und Cafés, die den Lebensstil
der Blumenkinder erkennen lassen. Aber ein Teil der Hippies ist
zu Unternehmern aufgestiegen. Vielleicht haben sie erst Drogen
verkau, dann psychedelische Poster, anschlieend Gebraucht
kleidung und irgendwann höherwertige Produkte. Sie haben
ihre Wohnungen saniert und verkau oder sind dort wohnen
geblieben, weil sie das immer noch bunte Viertel schätzen. Die
ortsansässige Bevölkerung hat den Stadtteil verlassen, weil ihnen
der Lebensstil der Hippies nicht geel oder weil der Standort zu
teuer wurde (Zukin 2010, S. 15).
Da die gentrier andere Konsumgewohnheiten haben und die
Städte anders nutzen als die früheren Bewohner, verändern sich
auch die Lokale und die Geschäe. In manchen neighborhoods
sitzen Künstler, Sowareentwickler, Schristeller und Musiker
am späten Mittag beim Brunch und gehen um Mitternacht zur
Arbeit oder zur Entspannung in Clubs, die in brachgefallenen
Industriegebäuden eingerichtet worden sind. Andere haben sich
schon lange aus dem Erwerbsprozess verabschiedet und Shoppen
ist zur wichtigsten Beschäigung geworden. Die ursprünglichen
Bewohner leiden unter dem Verlust der Identität und Authenti
zität ihrer Viertel, womit die Ursprünglichkeit gemeint ist. Zu
kin (2010, S. 49) schlägt vor, diese durch die Pege der histori
schen Bausubstanz und den Erhalt kleiner Geschäe und Cafés
zu bewahren. Die gentrier fördern den Entfremdungsprozess
dadurch, dass sie den aufgewerteten neighborhoods gerne neue
schickere Namen wie Boerum Hill, Gobble Hill oder Caroll
Gardens in Brooklyn geben. Problematisch ist, dass sie die städ
tische Politik in ihrem Sinne beeinussen. Auf dem Gelände der
ehemaligen Atlantic Yards in Brooklyn haben sie den Bau eines
Basketballstadions durchsetzen können, während die einkom
mensschwächere Bevölkerung die Ansiedlung neuer Industrien
mit einem groen Arbeitsplatzangebot auf der Industriebrache
bevorzugt hatte (Osman 2011).
det worden, um gefährdete neighborhoods zu stabilisieren und
Wohnraum für weniger Vermögende zu schaen. Im Rahmen des
Programms wurden leer stehende Häuser für einen sehr geringen
Preis von teils nur einem USDollar unter der Bedingung ver
kau, dass die Käufer das Haus renovieren und selbst mindestens
drei Jahre dort leben würden (Lees et al. 2008, S. 9). Baltimore
hat auerdem ein Healthy Neighborhoods Program entwickelt, das
den Erwerb von Wohnhäusern in verfallenen neighborhoods, die
noch über ein gewisses Potenzial verfügen, mittels reduzierter
Hypotheken erleichtert. Zudem wurden kleinere Aufwertungs
manahmen durchgeführt, um das Vertrauen in die Viertel zu
stärken und den Wert der Häuser zu steigern (e American
Assembly 2011, S. 10). In dem innenstadtnahen Stadtteil Fells
Point, der nordwestlich des Patapsco River liegt und lange der
traditionelle Wohnort der Hafenarbeiter gewesen war, war das
Programm äuerst erfolgreich. Die Häuser erfreuten sich bald
groer Beliebtheit bei Interessenten und die Immobilienpreise
stiegen. Gleichzeitig erlebte das Viertel eine soziale Stabilisierung
und das Wohnumfeld verbesserte sich. Der Preis war allerdings
die Verdrängung der ursprünglichen Bevölkerung. Staatliche und
kommunale Programme hatten unbeabsichtigt die gentrication
von Fells Point eingeleitet. In neuerer Zeit wurde das Potenzial
der gentrication für die Stadtentwicklung erkannt und gezielt
unterstützt. Die Städte arbeiten mit der Privatwirtscha zusam
men, um den Prozess zu erleichtern. Verfallene neighborhoods
stellen ein Sammelbecken der Armut und leider häug auch der
Kriminalität dar. Da die Kommunen ein groes Interesse an der
Aufwertung der unattraktiven Viertel haben, entwickelte man
gentrication zu einem Planungsinstrument, das zur wirtscha
lichen, physischen und sozialen Aufwertung verfallener Viertel
eingesetzt wird. Dieser Prozess wird als stateled gentrication
oder thirdwave gentrication bezeichnet (Gerhard 2012, S. 73;
Lees 2008, S. 2454; Lees et al. 2008, S. 178). Darüber hinaus wird
gentrication durch globales Kapital auf der Suche nach hohen
Renditen gefördert. International tätige Investoren haben Tau
sende Apartmenthäuser mit preiswerten Wohnungen gekau,
saniert und für hohe Mieten als Eigentumswohnungen verkau
(Zukin 2010, S. xi). Bauunternehmen haben so die frühere Rolle
der individuellen gentrier übernommen. Teils wird sogar von
einer gentrication durch die Errichtung von Neubauten gespro
chen (Lees 2003, S. 2490). Der Bau neuer Häuser trägt allerdings
nicht zu einer Aufwertung der vorhandenen Bausubstanz bei, die
ein wesentliches Element der gentrication darstellt. Die Bebau
ung von Brachächen kann aber das Interesse an benachbarten
Immobilien steigern und zu höheren Mieten und damit indirekt
zu einer Verdrängung der ansässigen Bevölkerung führen (Da
vidson und Lees 2010, S. 408).
San Francisco ist durch starke sozioökonomische Gegen
sätze geprägt. Während nördlich der zentralen innerstädtischen
Verkehrsachse Market St. (NoMa) stets die Wohlhabenden leb
ten, war der hafennahe Mission District südlich der Market St.
(SoMa) Wohngebiet der Arbeiter und ärmeren Bevölkerung
und Standort von Industrie und Gewerbe ( . Abb. 4.40 ). Mit der
Deindustrialisierung verel das Viertel zusehends und wurde
zum Auangbecken der Armen der Stadt. Der Wohnungsmarkt
reagierte auf die steigende Nachfrage der neuen Urbaniten mit
dem Bau von Luxusapartments und der Luxussanierung älte
1
2
3
4
4.7.2
Öffentliche Förderung
Gentrication wurde bereits in der Anfangsphase nicht nur von
Individuen, sondern auch von der öentlichen Hand eingeleitet.
1974 war das Federal Urban Homesteading Program verabschie
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