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hergestellt und einen noch heute wichtigen und unumstrittenen
Erklärungsansatz entwickelt. Mehrere Jahrzehnte war das Kapi
tal von den Kernstädten in den suburbanen Raum abgeossen,
wo der Groteil der Neubauten errichtet worden war, während
in den Städten die alte Bausubstanz verel und die Grundrente
sank (Deinvestition). Die Mieten in den verfallenen neighbor
hoods waren dementsprechend niedrig. Den Abstand zu den
potenziell höheren Mieten nach der Renovierung der Immobi
lie bezeichnet Smith (1986) als rent gap. Die Dierenz zwischen
tatsächlicher und potenzieller Miete stellt einen Anreiz für In
v e storen dar, da in einer freien Marktwirtscha jeder bemüht
ist, mit einem Grundstück den grötmöglichen Prot zu erzie
len. Der Kauf eines verfallenen Gebäudes lohnt sich, wenn nach
Zahlung aller für die Sanierung und die Hypothek anfallenden
Kosten ein ansehnlicher Gewinn erwartet werden kann. Das gilt
insbesondere, wenn sich die Wirtscha positiv entwickelt und
die Nachfrage nach Wohnraum steigt. Angesichts der Fülle der
Erklärungsansätze bezeichnete Beauregard bereits 1986 gentri
cation als einen chaotischen und komplexen Prozess. Heute be
schreibt gentrication eine Vielzahl von Aufwertungsprozessen
nicht nur im urbanen, sondern auch im suburbanen und sogar
im ländlichen Raum (Lees 2003, S. 2490) und hat sich zu einem
wirtschalichen, kulturellen, politischen, sozialen und instituti
onellen Phänomen entwickelt (Lees et al. 2008, S. 3). Inzwischen
liegen unzählige Fallstudien und eine groe Zahl theoretischer
Erklärungsansätze vor, und es scheint, dass nicht nur der Pro
zess der gentrication, sondern auch der Begri selbst äuerst
umstritten ist.
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. Abb. 4.38 Galerie im Meat Packing District
4.7.1
Gentrifier
Clay hat 1979 ein fünfphasiges Modell entwickelt, das den
kommunalen Einuss der gentrication betont und den Aus
tausch der Bevölkerung sowie die Auswirkungen auf die Erneu
erung verfallener neighborhoods berücksichtigte. In den ersten
beiden Phasen werden die Veränderungen durch die öentliche
Verwaltung eingeleitet. Hierzu können der Abriss von Sozial
siedlungen oder die Erweiterung von Krankenhäusern oder
Universitäten mit staatlichen Mitteln gehören. In beiden Fäl
len wird die ansässige Bevölkerung umgesiedelt. In der dritten
Phase erkennen private Investoren das Potenzial und investie
ren in sanierungsbedürige Häuser, und in der folgenden Phase
werden die Flächennutzungspläne verändert, um eine gröere
Bandbreite gewerblicher Nutzungen zu erlauben. Gleichzeitig
verlassen immer mehr langjährige Bewohner die neighborhoods,
da sie die steigenden Grundrenten nicht mehr zahlen können. In
der fünen Phase werden die sanierten Straenzüge möglicher
weise unter Denkmalschutz oder andere Veränderungssperren
gestellt und weitere private oder öentliche Investitionen treiben
den Wert der Immobilien weiter in die Höhe. Denkbar ist aber
auch, dass jetzt wieder ein Verfallsprozess einsetzt. Beides führt
zu einer Verdrängung der Bevölkerung (Clay 1979, S. 3132).
Neil Smith (1982, S. 151) hat Verfall und Entwicklung einzelner
Stadtteile mit den Bewegungen einer Wippe verglichen, die sich
im ständigen Auf und Ab bendet. Eine neighborhood, die sich
im Abschwung bendet, scha die Gelegenheit für einen spä
teren Aufschwung. Smith (1986, S. 2224, 1987) hat ebenfalls
einen Zusammenhang von Kapitalismus und Stadtentwicklung
Der Prozess der gentrication setzte ein, bevor die Städte gezielt
einkommensstärkere Einwohner anzogen, und steht in einem
engen Zusammenhang mit der Deindustrialisierung und der
damit verbundenen Zunahme von Beschäigten in gehobenen
Dienstleistungen, die häug sehr gut verdienen (Osman 2011).
Als typische gentrier wurden früh junge Ein oder Zweiperso
nenhaushalte mit einem hohen Einkommen, das sie im Finanz
sektor erzielten, ausgemacht. Sie suchten das aufregende Leben
der Stadt und wollten in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen. Da
es in den Stadtzentren allenfalls Schulen mit einem schlechten
Ruf gab, gehörten Familien nicht zu den neuen Bewohnern (Be
auregard 1986, S. 37). Empirische Studien zeigen aber, dass gen
trication durch sehr unterschiedliche Gruppen ausgelöst wer
den kann. In den 1970erJahren erlaubte die Stadt New York den
Einzug von Künstlern in leer stehende Lagerhäuser in SoHo und
die Umwidmung der Lagerächen in Los. Die Stadt unterstützte
den Prozess der Umwandlung, förderte ihn aber nicht nanzi
ell. Zum damaligen Zeitpunkt waren in den Geschäsräumen
im Erdgeschoss noch viele kleine Gewerbetriebe zu nden. Die
einzelnen Etagen der vier bis sechsstöckigen Lagerhäuser aus
dem 19. Jahrhundert waren durchweg nicht in mehrere Zimmer
aufgeteilt, sondern boten eine einzige rund 250 m 2 groe Fläche
mit hohen Decken und groen Fenstern. Die Los waren attrak
tiv für Künstler und aufgrund des groen Angebots preiswert. In
den 1980erJahren zogen die ersten Kunstgalerien nach SoHo,
 
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