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der kulturellen Entwicklung sind mit ihren Hervorbringungen Teil der Kultur
geworden. Dies kann man überall erkennen: an Aufassungen, Konzepten
und Werten, die unser Denken prägen. Die Prägung beginnt bereits mit der
Sprache. Sprache ist nicht einfach ein Kommunikationswerkzeug, sondern
ein Wert an sich, oder, wie es der bedeutende Schweizer Kunsthistoriker Ja-
cob Burckhardt im 19. Jahrhundert gesagt hat, ein »Wunder«:
»An der Spitze aller Kultur steht ein geistiges Wunder: die Sprachen, deren Ursprung,
unabhängig vom Einzelvolke und seiner Einzelsprache, in der Seele liegt […] Dann
aber sind die Sprachen die unmittelbarste, höchst speziische Ofenbarung des Geistes
der Völker, das ideale Bild desselben, das dauerhafteste Material, in welches die Völker
die Substanz ihres geistigen Lebens niederlegen […].« (Burckhardt 2011/1905: 44)
Schon Platon behandelt in seinem Dialog Phaidros den kulturellen Wert von
Sprache im Gegensatz zu dem der Schrift. 114 Neben den Kritikpunkten, dass
es der Schrift an der Lebendigkeit der gesprochenen Sprache mangele und
dass sie einer Entwertung und Schwächung des menschlichen Gedächtn-
isses Vorschub leiste, verweist er auf eine Art »Kontrollverlust« bezüglich
der Sprache durch die Ausweitung der Kommunikation im Medium der
Schrift. In der Tat sind Sprachwissenschaftler der Aufassung, dass die
Schriftlichkeit eine Sprache ganz konkret verändern kann, etwa im Hinblick
auf ihren Satzbau. 115 Aber auch die Schriftlichkeit hat ihre eigene kulturelle
Überhöhung erfahren, wie man etwa an typischen Alltagsmetaphern ersehen
kann. Dort heißt es, dass man die Gedanken von jemandem liest oder ein
Kunstwerk liest , dass man etwas be- schreibt , sich einer Sache ver- schreibt ,
eine Investition auch im übertragenen Sinne ab- schreibt oder jemandem et-
was vor- schreibt ; etwas wird ins »Herz geschrieben« oder »steht ges-
chrieben«. Das Leben ist ein Buch, das gelesen werden will, die Welt eine
Bibliothek mit unendlich vielen Büchern, die wir nicht erfassen können. Un-
zählige Abwandlungen all dieser Motive inden sich in der Literatur. Lesen
wird dabei mit Erfassen und Verstehen gleichgesetzt, Schreiben mit Be-
wahren, Regeln oder Strukturieren. Die Kulturtechniken des Lesens und
Schreibens sind selbst kulturelle Erfahrungen geworden.
Anstatt aber in dieser etwas allgemeinen Weise weiter über das »Einsick-
ern« der Schriftkultur in unsere Köpfe zu sprechen, möchte ich auf einige
ihrer konkreteren Erscheinungen zu sprechen kommen. Ich meine nämlich,
dass Infrastrukturen und Institutionen, die wir uns in den beiden vor-
angegangenen Abschnitten angesehen haben, in der Art, wie sie die Wirk-
lichkeit strukturieren und die Handlungen der Menschen formen, auch
bestimmte Denkmuster verfestigen. Diese Denkmuster oder Konzepte schla-
 
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