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Kapitel 3.4
Infrastrukturen
In der Schriftkultur erfolgt Kommunikation durch Produktion und Reproduk-
tion von Texten, ihre Distribution und Rezeption und schließlich ihre
Speicherung. Ganz am Anfang bedurfte es nur der Kulturtechniken des Le-
sens und Schreibens, um diesen Prozess zu verwirklichen. Im Laufe der Zeit
entstanden um alle Teilprozesse herum arbeitsteilige Organisationsformen,
mit denen wiederkehrende Aufgaben efizienter erledigt und mit kontrolli-
erbarer Qualität angeboten werden konnten. Für die Produktion und Re-
produktion von Texten waren dies in der Manuskriptkultur die Skriptorien,
in der Buchkultur später die Verlage und Druckereien. Für die Distribution
entstand schon im Mittelalter eine frühe Form des Buchhandels, die sich mit
der Verbreitung des Buchdrucks ausweitete und durch Speditionsdienste un-
terstützt wurde. Die Speicherung von Texten erfolgte in Bibliotheken und
Archiven, in denen Kataloge und Erschließungssysteme entwickelt wurden,
für die auch die Rezeption der Texte notwendig wurde. Sehen wir uns diese
verschiedenen Infrastrukturbereiche der Schriftkultur jeweils etwas genauer
an.
Manuskripte wurden in Skriptorien produziert, Druckwerke aller Art bis
heute in Druckereien. Ein wesentliches Merkmal dieser Einrichtungen ist
die arbeitsteilige Vorgehensweise. Ein Skriptorium gehörte grundsätzlich zu
jedem Kloster; im Klosterplan von Sankt Gallen, einem mittelalterlichen
»Masterplan« für die Anordnung von Klostergebäuden, ist es an zentraler
Stelle vorgesehen. Lesen und Schreiben waren grundlegende Aufgaben der
Mönche im Kloster, nur dem Gottesdienst und der Arbeit untergeordnet. 89
Bei der täglichen Arbeit im Skriptorium wurden die zu kopierenden Texte
diktiert, so dass mehrere Exemplare gleichzeitig angefertigt werden kon-
nten. Das Illustrieren und Illuminieren (Hervorhebungen in Gold oder prac-
htvoll verzierte Abschnittsinitialen) wurde von darauf spezialisierten
Mönchen vorgenommen. Das Schreiben erfolgte zuweilen auf Doppelbögen,
wodurch die zu bindenden Blätter gleich in der richtigen Reihenfolge
abgelegt werden konnten. Der Kopist schrieb dann den Text nicht mehr in
der linearen Reihenfolge ab, sondern in einer für den Produktionsprozess
optimierten abweichenden Seitenfolge. 90 Der Urheber des Textes selbst kam
in diesem Prozess nicht vor - er verfasste seinen Text allein, üblicherweise
in der Bibliothek des Klosters. Weltliche Skriptorien entstanden in Gestalt
von Kanzleien für die Verwaltung der aufstrebenden Städte seit dem Hoch-
 
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