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erzielte Geschwindigkeitserhöhung der Kommunikation. Zwar ist auch heute
die Publikation von wissenschaftlichen Ergebnissen in Aufsätzen, Artikeln
oder Büchern mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung verbunden, früher
galt dies allerdings auch für die direkte Kommunikation zwischen Forschern
auf brielichem Wege.
Die digitale Kommunikation hat die Verzögerung bei der Verschickung
schriftlicher Nachrichten auf Sekundenbruchteile zusammenschrumpfen
lassen, so dass aus einer asynchronen, schrittweise erfolgenden Kommunika-
tionskette ein synchrones, in Echtzeit ablaufendes Geschehen wurde. Durch
Blogs, Twitter, E-Mail, Web-Plattformen und soziale Netzwerke ist ein Kom-
munikationsraum entstanden, in dem Wissenschaftler unmittelbar davon er-
fahren, was die Kollegen gerade tun, was sie interessiert, wo sie zusammen-
kommen und welche Meinungen sie vertreten. Die Vielfalt der Forschung
wird dabei nicht mehr horizontal im zeitlichen Verlauf geiltert, durch Ver-
lage, Gutachter und Tagungskomitees, sondern gleichsam vertikal, durch die
Teilhabe an einem vernetzten, digitalen Kommunikationsprozess.
Ein Wissenschaftler kann heute kaum darauf hofen, dass sich im Laufe
der Zeit schon von selbst erweisen werde, wie bahnbrechend seine Arbeiten
eigentlich sind - wenn die Zeitgenossen dies nicht sofort erkennen, werden
sie sehr bald von neueren Publikationen überdeckt und verschwinden aus
der Wahrnehmung des Fachs. Was wissenschaftlich wichtig wird, wird un-
mittelbar ausgehandelt - und wer dabei nicht mitmacht, hat kaum Chancen,
mit seinen Ergebnissen Einluss und Bedeutung zu erlangen. Der bisher gel-
tende Grundsatz »publish or perish« (»publiziere oder gehe unter«), mit
dem jungen Wissenschaftlern die essentielle Bedeutung des Publizierens
vermittelt wurde, muss durch den neuen Grundsatz »discuss or decay«
(»diskutiere oder verrotte«) ersetzt werden.
Mit dem Wandel der wissenschaftlichen Kommunikation verändert sich
auch die institutionelle Organisation von Wissenschaft. Für viele Wis-
senschaftler ist es zwar ziemlich unerheblich, in was für eine institutionelle
Struktur sie eingebettet sind, solange sie ihrer Forschungsarbeit nachgehen
können und dafür geeignete Bedingungen vorinden. Trotzdem sind sie
dabei Teil einer Hierarchie, auf deren höheren Ebenen Entscheidungen get-
roffen werden, die ihre Arbeit direkt betrefen können. Ihre eigentliche Iden-
tität beziehen Wissenschaftler jedoch aus ihrer Fachgemeinschaft, die durch
Publikationsorgane, Verbände, Gremien und Tagungen geprägt ist. Aber
auch hier gibt es Hierarchien, die meist schwer erkennbar sind; in ihnen
wird entschieden, wie Gelder verteilt, Themen gesetzt und Karrieren ge-
fördert (oder blockiert) werden. In der digitalen Wissenschaftskommunika-
 
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