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Selektionsvorteil, und zwar immer dann, wenn sie zu den Methoden ihrer
Reproduktion besonders gut passen: Dabei handelt es sich um Inhalte, die
per se multimedial gedacht sind, aus der Verbindung verschiedener
Zeichensysteme leben. Eine Argumentation, die mit visuellen Argumenten
oder Metaphern arbeitet, ist somit im Vorteil gegenüber einer nur schrifts-
prachlich »funktionierenden« Argumentation. Gleiches gilt für den Aspekt
der Vernetzung: Texte, die auf eine Kommentierung ausgelegt sind, andere
Texte durch Links zitieren oder integrieren, genießen Selektionsvorteile ge-
genüber Texten, die eine durch die Vernetzung ermöglichte Sozialität nicht
erkennen lassen. Insgesamt lassen sich also auf verschiedenen Ebenen selb-
stverstärkende Prozesse beobachten, die zum digitalen Text hinführen: auf
der technischen Ebene, auf der medialen Ebene und auf der inhaltlichen
Ebene. Texte werden nicht einfach nur digitalisiert, sie erhalten dabei auch
in immer größerem Maße typische Eigenschaften der Digitalität.
In der Einleitung zu diesem Kapitel haben wir gesehen, dass Reproduktions-
verfahren, die sich immer besser an die Eigenschaften digitaler Texte an-
passen, zu geschlossenen Kreisläufen führen können. In derartigen
geschlossenen Kreisläufen arbeiten die digitalen Systeme ohne Intervention
des Menschen - und können dabei Efekte hervorrufen, die von Menschen
nicht gewollt sind. Dies ist der Fall, wenn ein Nachrichtenportal Schlagzei-
len publiziert, die nicht wahr sind, oder Quant-Fonds Kaufentscheidungen
treffen, die einen Börsenabsturz zur Folge haben. Aber auch hinter weniger
drastischen Entwicklungen können geschlossene Kreisläufe der Digitalkultur
stehen - in jeder Institution der Digitalkultur lauert diese Gefahr. Sie werden
dadurch bewirkt, dass die technologischen Tendenzen des Digitalen nicht
von sich aus eine friedliche Koexistenz mit dem Menschen suchen.
Automatisierung, Datenintegration und Vernetzung führen nicht
zwangsläuig zu hybriden, multimedialen und sozialen Erscheinungen in der
Digitalkultur, wie wir sie uns am Beispiel der Kulturtechniken des Lesens
und Schreibens in den Kapiteln 5 und 6 dieses Buchs angesehen haben. In
ihrer pervertierten Ausprägung stellen sie sich als ein digitaler Totalitaris-
mus dar, der uns durch Hyperautomatisierung, mediale Sedierung und Sozi-
alanalytik zu unterwerfen sucht. 317 Die Kooperation zwischen Mensch und
Computer ist nicht mehr hybrid, sondern hyperautomatisiert, wenn sich die
Automatisierung auf alle Lebensbereiche bezieht und nicht halt macht vor
»Errungenschaften«, mit denen die Fähigkeiten des Menschen unterboten
 
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