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spielte dabei lange Zeit keine wesentliche Rolle. Texte können als kulturelle
Zeichen verstanden werden, mit denen wir gesellschaftlich relevante Bedeu-
tungen vermitteln. Dafür haben sich im Rahmen einer evolutionären
Entwicklung Infrastrukturen der Produktion und Reproduktion von Texten
entwickelt, ihrer Distribution und Speicherung (Buchhandel, Bibliothek,
Archiv) und Institutionen ihrer kulturellen Nutzung (Schule, Universität,
Verlag, Presse und auch Zensur). Kulturelle Bedeutungen schlagen sich in
diesem kulturellen System als grundlegende Aufassungen und Werte nieder.
Die Triebkraft der Entwicklung der Schriftkultur kann man in n-Memen se-
hen, Gedanken, Werten, Wissensbeständen, Konzepten und Ideen in den Ge-
hirnen von Menschen. Die evolutionäre Dynamik - in biologischen Systemen
durch Reproduktion und genetische Mutation angetrieben - wird durch die
Nachahmung (u.a. Lesen und Schreiben) und Reorganisation von n-Memen
bewirkt, ein Vorgang, der gemeinhin als Kreativität bezeichnet wird. Die In-
frastrukturen und Institutionen der Schriftkultur können auch als Vehikel für
bestimmte, evolutionär besonders erfolgreiche Werte und Ideen aufgefasst
werden.
Schriftkultur und Digitalkultur unterliegen also unterschiedlichen Trieb-
kräften, was sich in mehrfacher Hinsicht auswirken kann. Infrastrukturen
und Institutionen der Schriftkultur verändern sich unter dem Druck der Di-
gitalisierung nach und nach. Gleichzeitig sind neue, eigenständige Hervor-
bringungen der Digitalkultur zu verzeichnen. In beiden Fällen entstehen
Spannungen mit dem Bisherigen: Traditionelle Infrastruktureinrichtungen
und Institutionen weisen oftmals Organisationsformen auf, die durch die Di-
gitalisierung in Frage gestellt werden. Dies gilt auch für die durch die Insti-
tutionen vertretenen Grundüberzeugungen und Werte. Neue Institutionen
der Digitalkultur stellen die Institutionen der Schriftkultur nicht weniger in
Frage: In diesem Fall geht es um ihre Existenz als solche, die Verdrängung
von Hervorbringungen der Schriftkultur durch die der Digitalkultur.
Wie sich das auf die verschiedenen Infrastrukturen und Institutionen der
Schriftkultur konkret auswirkt, werden wir uns in den folgenden Abschnit-
ten dieses Kapitels ansehen. Es stellt sich aber auch die generelle Frage,
warum eigentlich die Verdrängung in dieser Weise erfolgt. Wenn wir erneut
eine kulturevolutionäre Sichtweise einnehmen, lässt sich dies recht gut
erklären: Digitale Texte - d-Meme, wie wir sie im vorangegangenen Kapitel
genannt haben - weisen eine Reihe von Selektionsvorteilen auf: Sie lassen
 
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