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Nachrichten, die in Google News erscheinen, können sich also auf
Kaufentscheidungen auswirken, die von Computern in Quant-Fonds vollauto-
matisch getrofen werden. Entsprechend ändert sich der Kurs der gekauften
oder verkauften Wertpapiere. Diese Kursentwicklungen werden wiederum
an der Börse erfasst und für die weitere Nutzung in tabellarischer Form auf
Web-Seiten zusammengestellt. Damit ist der Kreislauf geschlossen: Die auto-
matische Textgenerierung greift auf diese neuen Börsendaten zu und erstellt
Berichte, die auf automatisch zusammengestellten Nachrichtenseiten er-
scheinen, die wiederum von Analyse-Software ausgewertet werden, um
automatisch Kaufentscheidungen in Quant-Fonds zu trefen. Manche Texte,
die in diesem Kreislauf vorkommen, werden somit ausschließlich von Com-
putern geschrieben und gelesen. Lesende Menschen werden in diesem di-
gitalen Wertpapierhandel nicht mehr benötigt, rechnende Menschen sowieso
nicht.
Ein extremes Beispiel, meinen Sie? Sicherlich, viele der Informationen, die
in diesem Kreislauf eine Rolle spielen, werden immer noch von Menschen
bereitgestellt oder zumindest kontrolliert. Trotzdem haben wir heute eine
Situation, in der der gesamte Prozess von Computern durchgeführt werden
kann . Nach einem Kulturverständnis, das auch wirtschaftliche Handlungen
umfasst, haben wir es hier mit vollautomatisch ablaufenden kulturellen Vor-
gängen zu tun. Und dass diese in unser Leben eingreifen, ist klar ersichtlich:
Schließlich geht es um Geld. Dabei können natürlich auch Fehler passieren,
wie die Aktionäre der amerikanischen Fluglinie United Airlines im Jahre
2008 schmerzlich erfahren mussten. In Google News wurde im September
jenes Jahres nämlich ein Artikel erfasst, in dem fälschlicherweise der
Konkurs dieser Fluglinie gemeldet wurde. 315 United Airlines war im Jahr
2002 zwar tatsächlich zahlungsunfähig geworden, hatte sich seitdem aber
längst erholt und schrieb wieder schwarze Zahlen. Der nicht mit Datum gek-
ennzeichnete sechs Jahre alte Artikel war für nur wenige Minuten auf der
zur Chicago Tribune gehörenden Nachrichtenseite Sun-Sentinel.com er-
schienen. Ein unbekannter Besucher dieser Seite hatte sich mitten in der
Nacht für den Artikel interessiert und ihn sich aus dem Online-Archiv heraus
anzeigen lassen, so dass er in Ermangelung von Klicks auf aktuellere Artikel
zu jener nachtschlafenden Zeit auf der Startseite automatisch unter »Am
meisten gelesen« aufgeführt wurde. Der kurze Zeitraum, für den die veral-
tete Meldung an so prominenter Stelle zu sehen war, reichte jedoch aus, um
von Google News indiziert zu werden. Und obwohl die Meldung bei Google
News nicht einmal auf den Hauptseiten aufgeführt war, wurde sie am näch-
sten Morgen von einer Wirtschaftsagentur bei der - natürlich ebenfalls auto-
 
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