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Kapitel 8.4
Digitale Meme
Kehren wir zurück in die digitale Welt. Wie wirkt sich die Digitalisierung auf
schriftliche Meme aus? Ein naheliegender Gedanke wäre es, die digitale
Kodierung eines Textes als ein weiteres Medium aufzufassen, in dem die
Schrift ausgeprägt sein kann. Damit wäre die digitale Kodierung ein weiter-
er Phänotyp eines Mems. Sehr plausibel ist dies jedoch nicht, weil die Kod-
ierung von Schrift auf digitalen Trägermedien ganz andere Eigenschaften
aufweist als die Fixierung von Schrift auf physischen Medien wie Papier. Vor
allem können wir Menschen die digitale Kodierung nicht direkt nutzen, son-
dern müssen sie durch den Computer in eine uns zugängliche Form überset-
zen. Deshalb können wir hier nicht von dem Phänotyp eines Mems sprechen,
und deshalb ist es sinnvoller, die digitale Kodierung selbst als memetische
Information anzusehen, aus der Phänotypen hervorgehen können. Der
Phänotyp eines digitalen Mems wäre dann seine Darstellung auf dem Com-
puterbildschirm, sein Verhalten als ausgeführtes Programm oder sein Aus-
druck auf Papier. Damit würden digitale Meme einen zweiten Typus von Me-
men darstellen neben denjenigen, die wir uns bislang angesehen haben.
Diese Meme haben ihren Lebensraum ja in menschlichen Gehirnen und
gelangen ebenfalls durch Medien als Phänotypen in die dingliche Welt. Wir
sollten diese beiden unterschiedlichen Arten von Memen von nun an klar un-
terscheiden: Wir nennen die Meme in unseren Köpfen »neuronale Meme«
oder kurz »n-Meme«, die digitalen Meme dann entsprechend »d-Meme«.
In welchem Verhältnis stehen d-Meme und n-Meme zueinander? Viele d-
Meme entstehen ofenbar aus n-Memen. Wenn ein Mensch einen Text
schreibt, verwandelt er die n-Meme in seinem Kopf zu d-Memen im Speicher
des Computers. Das unterscheidet das hybride Schreiben vom traditionellen
Schreiben in der Schriftkultur: Dort wurden durch den Schreibvorgang
Phänotypen von n-Memen geschafen. Das hybride Schreiben hingegen
bringt Phänotypen von n-Memen hervor und zugleich d-Meme als solche.
Beim digitalen Schreiben hilft der Computer mit, wie wir in Kapitel 6 gese-
hen haben: Schon bei der Erfassung der einzelnen Schriftzeichen, aber auch
im Schreibprozess oder bei der Textgestaltung ist er beteiligt. D-Meme
entstehen also durch menschliches Tun, der Computer ist aber von Anfang
an beteiligt.
N-Meme und d-Meme »begegnen« einander auf der Ebene mancher
Phänotypen: Die Darstellung eines digitalen Textes auf dem Computerdis-
 
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