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Biologische Evolution
Kulturelle Evolution
Reproduktion Genetische Replikation
Nachahmung (Mimesis); speziell
z.B. Lesen und Schreiben
Phänotyp
Organismus mit seinen Bestan-
dteilen und Fähigkeiten
z.B. Text, Lautfolge, Bild und Best-
andteile davon
Erweiterter
Phänotyp
z.B. Bieberdamm, Spinnennetz,
Kuckucksverhalten
z.B. Bibliothek, Verlag, Schule
Diese auf den ersten Blick vielleicht bizarr erscheinenden Überlegungen bi-
eten Anlass dazu, dass wir uns fragen, ob die memetische Sichtweise auf
kulturelle Veränderungen tatsächlich die angemessenste ist. 300 Die Kritik,
wir würden damit eine soziobiologische Erklärung der Kultur propagieren,
lässt sich leicht entkräften. Dawkins ging es gerade nicht darum, kulturelle
Phänomene dem Bereich der Biologie zuzuschlagen, wie es andere Evolu-
tionstheoretiker versucht haben. Die evolutionäre Dynamik von Sprachen,
von Büchern auf dem Buchmarkt, von Theaterstücken oder von der Bedeu-
tung und Verwendung einzelner Wörter hat eben nichts zu tun mit der Fit-
ness des Menschen in seiner Umwelt, mit seiner Fähigkeit zum Überleben
und seinem Reproduktionserfolg. Es mag zwar koevolutionäre Zusammen-
hänge geben, etwa wenn sich das genetisch bedingte Sprachvermögen des
Menschen zusammen mit dem Memplex der Sprache entwickelt, wie Susan
Blackmore nachzuweisen versucht. 301 Aber genauso lassen sich auch gegen-
läuige Tendenzen zwischen genetischer und memetischer Evolution feststel-
len, wie wir gerade am Beispiel »parasitärer« Meme gesehen haben. Von
Dawkins und anderen Autoren wird immer wieder der Memplex Religion als
Beispiel dafür angeführt, dass sich die memetische Evolution komplett
verselbständigen und eine im Sinne der biologisch-genetischen Evolution
zerstörerische Kraft entfalten kann - es seien in diesem Zusammenhang nur
die Stichwörter »Zölibat« und »Selbstmordattentäter« genannt. Die Me-
metik nimmt also die Kultur als eine eigenständige Größe sehr ernst und be-
hauptet keineswegs, dass kulturelle Hervorbringungen nichts anderes
wären als die Biberdämme oder Termitenhügel der Menschen.
Warum aber Meme? Wir haben gesehen, dass der Begrif des Mems mit
dem des kulturellen Zeichens gleichgesetzt werden kann. Dass diese sich in
komplexen, dynamischen Systemen beinden, wird in den Kulturwis-
senschaften nicht bestritten. Kaum ein Linguist würde abstreiten, dass sich
Sprachen in einem evolutionären Prozess entwickeln, und auch Historikern
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