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unüberschaubar großen Menge unterschiedlicher Laute, die wir produzieren
können, geschafen wird. Zwischen den Wörtern »Tier« und »dir« gibt es
keinen ließenden Übergang von Lauten, mit denen weitere Wortbedeutun-
gen verbunden sind - es gibt nur die verschiedenen Aussprachevarianten
von »Tier« und von »dir«, dazwischen aber nichts. Solche Kontraste und Op-
positionen durchziehen unser Sprachsystem auf allen Ebenen. Durch sie
wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich sprachliche Meme mit hoher
Wiedergabetreue reproduzieren lassen.
Was wir uns bislang angesehen haben, sind die evolutionären Ei-
genschaften der sprachlichen Meme an sich. Daniel Dennett würde dies die
syntaktische Seite des Replikators nennen, die reproduktiven Eigenschaften
des Codes selbst. In ähnlicher Weise muss die DNA als das Ergebnis eines
evolutionären Prozesses betrachtet werden, eines Prozesses, der Hunderte
von Millionen Jahre in Anspruch genommen haben muss. Replikatoren
haben sich aber auch Vehikel geschafen, in denen sie existieren und die ihre
reproduktiven Erfolgsaussichten erhöhen. Die Vehikel der Gene sind die den
Zellkern umgebenden Zellen, die sich zu Zellverbänden und ganzen Organis-
men zusammenschließen können. Die Konstruktion dieser Vehikel wird von
der DNA durch die Synthese von Proteinen gesteuert. Die anhand von DNA-
Abschnitten synthetisierten Proteine stellen deshalb die »Bedeutung« einzel-
ner Gene dar.
Was ist nun die »Bedeutung« eines sprachlichen Mems, zum Beispiel eines
Wortes? Auch sprachliche Meme »synthetisieren« etwas in den sie
umgebenden Vehikeln, den Gehirnen. Die Proteine der Meme sind die
Konzepte, Bilder oder Vorstellungen, die in unserem Kopf durch sie hervor-
gerufen werden. Das Wort »Baum« ruft eine bestimmte Vorstellung hervor,
und auch der Satz: »Der Mann fällt den Baum«. Wir stellen uns einen Mann
vermutlich mittleren Alters und in wetterfester Arbeitskleidung vor, der eine
Axt schwingt und rhythmisch in den Stamm eines dicken Baumes schlägt.
Wenn wir nun nach Memen fragen, die besonders gut, das heißt, langlebig,
fruchtbar und wiedergabetreu darin sind, bestimmte Vorstellungen aus-
zulösen, dann spielen weniger die Eigenschaften der Sprache eine Rolle als
vielmehr die Frage, wie sich die Meme an die Bedingungen unseres Gehirns
anpassen können, um sich besonders erfolgreich reproduzieren zu können.
In Kulturen, die keine Schrift kennen, kann man dies besonders gut sehen:
Um längere Geschichten überhaupt behalten und weitergeben zu können,
werden rhythmische Verse, Reime und wiederkehrende Formeln (»Es war
einmal…«) verwendet. Auch andere Merkmale der Geschichte folgen wieder-
kehrenden Mustern, so dass den Beschränkungen unserer kognitiven
 
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