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chen Evolution befreit, zumindest was unser kulturelles Tun betrift. Erind-
ungen, Staaten und Institutionen, Kunstwerke und sogar Sprachen
entstehen und vergehen viel schneller, als es durch die Evolution der Gene
jemals geschehen könnte. Wir Menschen haben uns seit 100.000 Jahren ana-
tomisch kaum verändert und trotzdem eine unglaubliche kulturelle
Entwicklung durchlaufen. Die Evolution der Meme erfolgt zwar um ein Viel-
faches schneller als die der Gene, aber nach den gleichen Prinzipien.
Anhand von sprachlichen Memen lässt sich gut zeigen, dass auch sie den
evolutionären Anforderungen der Fruchtbarkeit, der Langlebigkeit und der
Wiedergabetreue unterliegen. In der gesprochenen Sprache bedeutet die
Fruchtbarkeit von Memen, dass sie besonders oft verwendet werden.
Dadurch sind sie uns besonders präsent, kognitiv fest verankert und auch
beim Sprechen leicht abrufbar. Die am häuigsten gebrauchten Wörter ent-
fallen uns nie, und wenn wir beim Sprechen nach Wörtern suchen, dann sind
es eher seltene. Gleiches gilt für alle anderen Ebenen der Sprache: Was wir
oft hören, verwenden wir auch oft. Solche sprachlichen Meme sind also
fruchtbar. Ob sie auch langlebig sind, hängt von anderen Faktoren ab. Meme
beinden sich wie Gene im Wechselspiel mit ihrer Umwelt. Verändert sich die
Umwelt, dann kann auch ein sehr gut angepasstes Gen zum evolutionären
Verlierer werden. Die Interaktion mit der Umwelt geschieht bei sprachlichen
Memen durch die Kommunikation in einem sozialen Zusammenhang. Treten
darin Veränderungen auf, können sich einige Meme nicht mehr so erfol-
greich fortplanzen und »besiedeln« die menschlichen Gehirne weniger di-
cht. Wir kennen dieses Phänomen zum Beispiel als das »Veralten« von
Wörtern, in Gestalt der Fremdheit der Sprache in alten Texten oder im Ex-
tremfall als das Aussterben ganzer Sprachen.
Wenn eine Sprache ein gewaltiger Memplex ist, eine Art Organismus, der
eine bestimmte Umwelt zum Überleben benötigt, dann kann man sich vor-
stellen, warum das klassische Latein als gesprochene Sprache in den Wirren
der Völkerwanderung untergegangen ist. Auch die Langlebigkeit sprachlich-
er Meme hängt also von ihrer Fähigkeit ab, sich einer veränderten Umwelt
anzupassen. Insofern ist zwar das klassische Latein untergegangen, in ver-
änderter, angepasster Form ist es aber mehrfach erhalten geblieben: im
Italienischen, Französischen, Spanischen und in den anderen romanischen
Sprachen.
Schließlich die Wiedergabetreue: Sprachliche Meme besitzen eine hohe
Kopiergenauigkeit, wenn sie leicht verstanden und leicht gebildet werden
können. Auf der lautlichen Seite aller natürlichen Sprachen hat sich deshalb
ein System von Kontrasten entwickelt, durch das Ordnung in der prinzipiell
 
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