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sieht anders aus und ist anders aufgebaut. Neben den institutionellen Verän-
derungen nach dem Ende der Schriftkultur wird es deshalb auch Veränder-
ungen in jedem Einzelnen von uns geben. Unsere Gehirne passen sich den
Bedingungen des digitalen Lesens und Schreibens an, schriftliche Informa-
tionen werden kognitiv anders verarbeitet und gespeichert, werden uns
ganz anders prägen. Unser Denken erfährt eine Kolonisierung durch den
Computer und die digitale Schrift, so wie es früher durch das Buch mit sein-
er gedruckten Schrift kolonisiert war.
In den folgenden Kapiteln will ich diese Zusammenhänge im Einzelnen
nachzeichnen. Wir werden uns die Kulturtechniken der Schrift ansehen und
was eigentlich unter Schriftkultur zu verstehen ist. Wir werden die technis-
chen Veränderungen des Lesens und Schreibens betrachten und den Wan-
del, der sich daraus in verschiedenen Anwendungsbereichen ergibt. Und es
soll auch eine Voraussage unternommen werden, in welcher Weise sich die
Veränderungen auf die Infrastrukturen und Institutionen des Lesens und
Schreibens in der Digitalkultur auswirken werden. Voraussetzung dafür ist
ein evolutionärer Blick auf Kultur, mit dem viele scheinbar zufällige
Entwicklungen erklärbar werden. Denn aus der Digitalisierung der Kultur-
techniken der Schrift ergeben sich nicht nur wirtschaftliche, politische und
gesellschaftliche Konsequenzen, auch die traditionellen Werte der
Schriftkultur werden sich verändern. Nach dem Ende der Schriftkultur wer-
den die Menschen weiterhin Lesen und Schreiben, aber im digitalen Medi-
um, stets in Symbiose mit dem vernetzten Computer, hybrid, multimedial
und sozial. Nicht nur der Mensch, nicht nur die Schrift, nicht nur ich selbst -
genau an diesen grundlegenden Tendenzen der Digitalisierung wird erken-
nbar, wie eine Kultur jenseits der Schriftkultur einmal aussehen wird. Engel-
barts Traum ist unsere Wirklichkeit geworden und beginnt sich zu entfalten.