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sogenannte Georgtown-IBM-Experiment Anfang 1954, die erste öfentliche
Demonstration eines Systems zur maschinellen Übersetzung. Trotz des
großen Aufsehens, das damit in der Öfentlichkeit und beim amerikanischen
Militär erregt wurde, besaß das vorgestellte System nur ein Vokabular von
wenigen Hundert Wörtern und konnte lediglich einige sorgfältig aus-
gewählte Sätze der russischen Sprache ins Englische übersetzen. 8 Für die
Automatisierung des Lesens und Schreibens war damit aber ein Anfang
gemacht, und vieles andere folgte. Seitdem ist der Mensch nicht mehr der
einzige, der liest und schreibt, auch der Computer beherrscht es, auf seine
Weise. Seitdem haben wir unser Monopol über die Schrift verloren.
Mit den Veränderungen des Lesens und Schreibens durch die Digitalisierung
werden weitreichende kulturelle Veränderungen einhergehen. Die
Schriftkultur, die mit der Erindung des Buchdrucks eine immense Verbreit-
ung erfahren hatte, manifestiert sich in Bibliotheken und Archiven, durch
Buchhandel, Verlags- und Pressewesen. In Gestalt von Büchern, Zeitungen
und Zeitschriften werden Texte Gegenstand einer gewaltigen Infrastruktur,
in der es um Produktion, Reproduktion, Lagerung, Organisation und Distri-
bution geht. Auch für die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen sind
Bücher und Texte auf Papier jahrhundertelang das zentrale Instrument - in
der Schule und an der Universität, als Teil von Wissensproduktion und
Forschung, bei der Nutzung von Kenntnissen und Erfahrungen in Firmen
und Organisationen. Und auch die Gesellschaft selbst fußt auf gedruckten
Texten, in der Verwaltung, in der Justiz und in der Presse, im Literaturbe-
trieb. Um all diese kulturellen Infrastrukturen und Institutionen ranken sich
Interessen und Verbände, Ausbildungen und Studiengänge, Finanzströme
und politische Programme. In einzelnen Bereichen, in denen Krisenerschein-
ungen schon hervorgetreten sind, werden die Herausforderungen der Digit-
alisierung bereits diskutiert: Was wird in Zukunft aus den Zeitungen? Vor
welchen Herausforderungen werden die Bibliotheken stehen? Welche Rolle
kann das Internet in der Hochschullehre spielen? In welcher Weise müssen
Buchverlage ihr Geschäftsmodell verändern? Für andere Bereiche, etwa die
Schule, hat die Diskussion gerade erst begonnen.
Lesen und Schreiben sind Kulturtechniken, und wenn sich die technischen
Voraussetzungen verändern, verändert sich auch das Lesen und Schreiben
selbst. Wir lesen und schreiben anders, wenn es hybrid, multimedial und
sozial geschieht - was wir lesen, nehmen wir anders auf, was wir schreiben,
 
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