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textsuche«. In einem Online-Katalog kann man keine Volltextsuche vorneh-
men, denn hier werden die Daten nicht als Texte, sondern in Tabellenform
gespeichert. Manche Nutzer aber gaben in unserem Experiment die kom-
plette bibliograische Angabe für ein Buch in das Titel-Suchfeld des Katalogs
ein. Anstatt etwa »Eine kurze Geschichte der Zeit« im Titel-Feld und »Hawk-
ing, Stephen W.« im Autor-Feld einzutragen, wurde dort »Hawking, Stephen
W. (1988): Eine kurze Geschichte der Zeit . Hamburg: Rowohlt« eingegeben.
Eine solche Anfrage führte zu keinem Ergebnis, weil es einen Autor mit
diesem seltsam langen Namen nicht gibt.
Noch interessanter ist die Amazon-Strategie: Man erwirbt in einem
Online-Shop ein Buch, indem man es zunächst sucht, dann auswählt, es in
den virtuellen Warenkorb legt und schließlich bestellt. Die Post bringt es
dann zu einem nach Hause. In einer Bibliothek muss man das Buch gewöhn-
lich selbst aus dem Regal holen, die Signatur weist einem dabei den Weg.
Mancher unserer Versuchspersonen gelang es zwar, das richtige Buch im
Online-Katalog zu inden. Um es auszuleihen, klickten sie dann jedoch auf
einen Rechtspfeil unten auf der Seite in der Annahme, dass dadurch der
nächste Schritt im Bestellvorgang ausgelöst würde. Der Pfeil steht aber für
den Übergang zum nächsten Buch in der Ergebnisliste, einen Warenkorb
gibt es in einer Bibliothek nicht. Die Verwirrung mancher Versuchspersonen
war groß: Wie kommt man dann an sein Buch? Dass man sich die Signatur
notieren und selbst zu einem bestimmten Regal begeben muss, war ihnen
nicht bekannt.
Malgorzata Dynkowska hat herausgefunden, dass solche Nutzungsprob-
leme weniger mit der Gestaltung der Web-Seiten zu tun haben als vielmehr
mit dem Vorwissen und den Annahmen der Nutzer. Die untersuchten Biblio-
theksseiten waren für Nutzer ausgelegt, die die Funktionsweise einer Biblio-
thek kennen, die wissen, wie ein Katalog aufgebaut ist, und Signaturen zu
lesen verstehen. Der »neue« Bibliotheksnutzer bringt aber andere Hand-
lungsmodelle mit: Web-Suche statt Katalogrecherche und elektronischer
Warenkorb statt Signatur und Regal. Diese Modelle kennt er aus dem Web,
und er überträgt sie auf die Nutzung der Bibliothek. Da jedoch funktionieren
sie nicht. Viele Bibliotheken haben sich darauf inzwischen eingestellt und
kommen den veränderten Erwartungen entgegen. Ganz aufangen lässt sich
diese Verschiebung im kulturellen Wissen aber nicht, es geht etwas ver-
loren. Was genau dies ist und was an dessen Stelle tritt, das sehen wir uns in
diesem Kapitel an - für das Lesen und das Schreiben und einige darauf auf-
bauende Kulturtechniken.
 
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