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Eine andere Form der Verbindung von Inhalten ist es, Texte unterschied-
licher Autoren miteinander zu verschmelzen - die »Montage«, eine literar-
ische Technik, die eine lange Tradition besitzt und mit Schriftstellern wie
James Joyce oder Arno Schmidt zu einem Höhepunkt gelangt ist. Die Text-
montage zeichnet sich dadurch aus, dass das eigentlich Schöpferische in der
Verbindung der einzelnen Textteile liegt. Dadurch unterscheidet sich die
Montage vom Plagiat, denn beim Plagiat werden nicht nur Textstücke
übernommen, sondern auch die damit verbundenen Ideen, Argumente und
Ausarbeitungen. Das kann auch bei literarischen Texten geschehen - Helene
Hegemanns Roman Axolotl Roadkill ist in der deutschsprachigen Öfentlich-
keit in den letzten Jahren vielleicht der am meisten diskutierte Fall gewesen
- viel verbreiteter ist das Plagiat allerdings bei wissenschaftlichen Qualiika-
tionstexten. 234 Auch dafür gibt es in Gestalt der Doktorarbeit des ehemali-
gen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg ein sehr
bekanntes Beispiel aus jüngerer Zeit. Die digitale Verfügbarkeit von Texten
im Web und das einfache Kopieren und Einfügen von Textstellen unter Ver-
wendung eines Textverarbeitungsprogramms haben das Plagiat zur dunklen
Seite des sozialen Schreibens werden lassen - ein Text von vielen Autoren,
dem die Sozialität seiner Entstehung nicht anzumerken ist.
Die zweite Dimension des sozialen Schreibens bezieht sich auf das Wie des
Schreibens. Soziales Schreiben in diesem Sinne ist ein gemeinsames
Schreiben, bei dem die Textanteile mehrerer Autoren untrennbar miteinan-
der verbunden sind. Dabei können die verschiedenen Autoren entweder
nacheinander arbeiten (asynchron), gleichzeitig (synchron) oder in einem
Wechselspiel miteinander (dialogisch). Das asynchrone soziale Schreiben ist
eine schon lange praktizierte Kulturtechnik des Menschen. Autor A schreibt
einen Text, der von Autor B verändert und ergänzt wird. Wenn danach
wieder Autor A den Text bekommt und ihn überarbeitet, und danach noch-
mals der andere, dann ist so einem Text im Normalfall kaum noch anzuse-
hen, von wem welche Teile stammen, und es ist ein kooperativ erstellter Text
von zwei Autoren geworden.
Bei der Nutzung von Papier, Stift und Schreibmaschine ist das soziale
Schreiben in dieser Weise eine aufwändige Angelegenheit. Zwar lassen sich
leicht Streichungen in einem Text vornehmen, Ergänzungen hingegen sind
nur am Ende eines Textes problemlos einzutragen. Nach jedem Überarbei-
tungsschritt muss der Text neu geschrieben werden, weil die mit einem Stift
 
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