Information Technology Reference
In-Depth Information
genen Kapitel haben wir gesehen, dass bei digitalen Texten, vor allem bei
Web-Seiten, andere Lesegewohnheiten beobachtet werden können als bei
gedruckten Texten. Im digitalen Medium ist das überliegende, »scannende«
Lesen viel weiter verbreitet; selbst bei längeren, zusammenhängenden Tex-
ten verteilt sich die Wahrnehmung nach demselben F-Muster, das eigentlich
die schnelle Durchsicht von Listen und Portalseiten charakterisiert. Jakob
Nielsen, bereits seit den 1990er Jahren der bekannteste Berater für die
Gestaltung von Web-Seiten, fasst dies so zusammen: »Wie Nutzer im Web
lesen: Sie machen's nicht.« 227 Aus dieser Erkenntnis leitet er praktische
Richtlinien dafür ab, wie Texte gestaltet werden sollten, damit sie dem
scannenden Lesen möglichst weit entgegenkommen.
Er empiehlt die Hervorhebung von wichtigen Wörtern, das Einfügen von
Zwischenüberschriften, die Verwendung von Listen (die sogenannten
»Bulletpoint«-Listen), die Bildung kurzer Absätze, die nicht mehr als einen
Gedanken ausführen, und insgesamt das Schreiben kürzerer Texte. Selbst
der Textaufbau insgesamt sollte sich an den Erfordernissen einer schnellen,
oberlächlichen Lektüre orientieren: Nielsen empiehlt, die Schlussfolger-
ung, die Quintessenz, die sich aus einem Text ergibt, an den Anfang zu stel-
len und dann nach und nach zu entfalten. Auf diese Weise wird die wesent-
liche Information gleich am Anfang vermittelt, die Lektüre des Textes kann
an beliebiger Stelle abgebrochen werden oder »ausdünnen«, ohne dass der
Leser auf die Kernaussage verzichten muss. Ein anderes Mittel des Textauf-
baus ist es, Inhalte von vornherein als Micro-Content zu konzipieren. Damit
sind kurze, in sich abgeschlossene Textstücke von maximal zwei, drei Sätzen
gemeint, die dennoch eine vollständige inhaltliche Einheit bilden. Die Anre-
ißer zu den einzelnen Artikeln in einem Nachrichtenportal, die auf der Über-
sichtsseite zu sehen sind, sind solche »Mikro-Inhalte« ebenso wie Zusatzin-
formationen, die in Gestalt von kleinen Textkästen erscheinen.
Für Journalisten ist es in ihrem Beruf zentral, die Verbindung zwischen Ge-
genstand und Leserorientierung bestmöglich herzustellen. Deshalb ist die
Methodik des Schreibens seit jeher ein wichtiger Bereich der Journalistik.
Heute spricht man von Online-Journalismus, wenn es um die Besonderheiten
des journalistischen Schreibens für das Web geht. Wegen des praktischen
Anspruchs des Online-Journalismus kann man besonders gut erkennen, in
welcher Weise das multimediale Schreiben über das traditionelle Schreiben
hinausgeht. 228 Bei der sprachlichen Gestaltung ist etwa die Kennzeichnung
von Links zu berücksichtigen und die Möglichkeiten der Navigation im Text.
Wie soll der Text portioniert werden, wie viel und welche Art von Interaktion
soll er erfordern? Bei Online-Texten wird außerdem mehr Bildlichkeit erwar-
 
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