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tellt sind. Interessant ist, was in Nachrichtenmagazinen publiziert wird,
noch interessanter ist jedoch, was in einem Magazin erscheint, das von
Menschen bestückt wird, die man kennt und denen man vertraut. Auch
Facebook bietet inzwischen einen ähnlichen Service an. 192
Alle diese technischen Möglichkeiten der Vergemeinschaftung des Lesens
inden ihre Vorläufer in der Kulturgeschichte des Lesens, sie sind neue
Spielarten eines immer schon vorhandenen Phänomens. Soziales Lesen im
laufenden Leseprozess jedoch ist tatsächlich neu. Der gedruckte Text erwar-
tet Exklusivität, er »spricht« nur mit dem, der sich ganz auf ihn einlässt. Ein
digitaler Text hingegen gibt diese Exklusivität nur vor, im Hintergrund kann
er vermittels des Computers, durch den er sichtbar wird, im Netz nahezu
unbegrenzt kommunizieren. Wir haben uns dies schon anhand der unsicht-
bar ablaufenden Leseanalytik vergegenwärtigt (s. Abschnitt 5.2). Die Kom-
munikationsfähigkeit des digitalen Texts wird aber auch zur Unterstützung
des sozialen Lesens genutzt. Das E-Book-Lesegerät Kindle von Amazon er-
laubt die Freigabe von Markierungen und Kommentaren, so dass diese auf
Amazon-Webseiten in Listen von Leserreaktionen eingehen. Von anderen
Lesern freigegebene Markierungen werden in den Text auf dem eigenen Le-
segerät übertragen. Darüber hinaus kann ein Leser festlegen, dass seine
Kommentare unter seinem Namen auf Facebook oder Twitter publiziert wer-
den, so dass die Freunde und »Follower« von der Auseinandersetzung des
Lesers mit diesem Buch erfahren. Zu diesen Kommentaren wiederum
können die dem Leser verbundenen Personen Anmerkungen vornehmen, die
ihrerseits auf das Kindle-Lesegerät zurückübertragen werden. Es ist klar,
dass ein so engmaschiger sozialer Austausch im laufenden Leseprozess nur
im digitalen Medium realisierbar ist, die Darstellung von Text muss wie beim
Lesegerät veränderlich sein, das Gerät selbst kommunikationsfähig und Teil
einer vernetzten Informationsinfrastruktur.
Beispiele, was daraus hervorgehen kann, gibt es bislang nur wenige.
Unter thegoldennotebook.org kann man sehen, wie eine Gruppe von sieben
Schriftstellerinnen und Kulturjournalistinnen einen Roman der südafrikanis-
chen Literatur-Nobelpreisträgerin Doris Lessing, The Golden Notebook , ge-
meinsam liest und kommentiert. Die Kommentierungen lesen sich zum Teil
wie Gespräche und bilden einen Zusatztext zum Haupttext des Romans. Die
sieben Kommentatorinnen nutzen diese Form des sozialen Lesens bewusst
dazu, die teilweise schwer zu strukturierenden Diskussionen zu einem sol-
 
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