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durch den Boom an Präsentationen heute sogar Graiken, Schemata und
Bilder in Disziplinen wie der Philosophie, der Literaturwissenschaft oder der
Soziologie inden, in denen das Visuelle noch vor einigen Jahren geradezu
verpönt war. Die Berliner Soziologen Hubert Knoblauch und Bernt Schnet-
tler bezeichnen deshalb Powerpoint-Präsentationen als das »vereinfachte
Basisidiom globalisierter Wissensgesellschaften«. 185 Multimediales Lesen ist
somit ein Weg, diese neue Sprache der Wissensgesellschaft zu praktizieren.
Kapitel 5.4
Soziales Lesen
Lesen ist asozial. Man redet nicht beim Lesen, man blickt nicht in anderer
Menschen Gesichter, man kapselt sich von seiner Umwelt ab. Anders geht es
auch nicht: Der Lesevorgang ist ein kognitiv sehr anstrengendes Unterfan-
gen, das eine Menge Übung und Kontrolle erfordert. Wir müssen uns beim
Lesen auf den Text konzentrieren. Trotzdem gibt es Wege, den eigentlichen,
asozialen Leseprozess sozial aufzuladen. Der einfachste ist der, das Gelesene
mit anderen zu teilen, sie auf den eigenen Lesestof hinzuweisen. Dem ents-
pricht auf der anderen Seite die Aufnahme der Hinweise anderer. Auf diese
Weise wird das Lesen in einen umfassenden sozialen Austausch integriert.
Am Lesevorgang selbst kann ein Leser einen anderen Menschen teilhaben
lassen, indem er Markierungen oder Notizen im Text hinterlässt. Eine Ex-
tremform der sozialen Auladung des Lesens ist es, diese eigentlich asoziale
Tätigkeit gleichzeitig mit anderen durchzuführen.
Diese Spielarten des sozialen Lesens sind keineswegs neu. Bereits in den
Lesegesellschaften des 18. und 19. Jahrhunderts ging es darum, dass sich
ihre bürgerlichen Mitglieder durch die koordinierte Lektüre und das Ge-
spräch darüber gemeinsam bilden. Aus ähnlichen (Selbst-)Bildungsvereinen
für Arbeiter und Handwerker ist später sogar die Sozialdemokratische Partei
hervorgegangen. 186 Auch Anmerkungen waren in der Geschichte des Buchs
schon immer ein wichtiges Instrument der Kommunikation über Inhalte. Die
akademische Vorlesung hat sich aus der Kommentierung von kanonischen
Werken antiker Gelehrter heraus entwickelt. Über Jahrhunderte war es für
Professoren üblich, eigene Überlegungen nur als Anmerkungen zu diesen
Werken zu äußern, erst nach und nach emanzipierten sie sich und schufen
so den wissenschaftlichen Vortrag in »freier« Rede. 187 Gleichzeitiges Lesen
praktizieren alle Schüler einer Klasse anhand des Tafelanschriebs des Lehr-
 
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